Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Worte drehten sich in seinem Kopf, während er mit Lena Lund zum Kantorparken in Vejlby unterwegs war, um mit der besagten Freundin Astrid Bak zu sprechen, die jeden Donnerstag zu Besuch gekommen war.
»Was könnte das für ein Nutzen sein?«
Aber auch Lena Lund wusste keine Antwort. So, wie sie auch am Morgen seinen Fragen ausgewichen war, warum sie einfach unangemeldet an Tatorten auftauchte und ganz offensichtlich ihre eigene Theorie über den Fall hatte. So wie die, dass Dicte Svendsen involviert war. Die Informationen über den Besuch bei Svendsen waren ins morgendliche Abteilungsmeeting eingeflossen, während er sich innerlich noch mit der McDonald’s-Sache beschäftigte. Wie nebenbei hatte Lena Lund das erwähnt, als hätte sie gehofft, er würde es schlucken. Aber es hatte ihn wütend gemacht. Er war noch immer wütend. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr verfluchte er Hartvigsen Personalentscheidung, ihm Lena Lund ins Team zu setzen. Warum sollten sie Dicte Svendsen da mit reinziehen, wenn jeder glasklar sehen konnte, dass sie gar nichts damit zu tun hatte? Er überholte einen Tankwagen, der sich einen Hügel hinaufquälte.
»Warum haben Sie mir nicht davon erzählt? Das verstehe ich einfach nicht?«, sagte er mit Blick auf den Verkehr vor ihm und die niemals endenden Straßenarbeiten.
Lena Lund unterdrückte einen Seufzer.
»Ich wiederhole. Ich habe Sie gefragt, ob es in Ordnung wäre, sie zu überprüfen. Und nur das habe ich getan.«
»Aber Sie haben mich nicht über das Ergebnis in Kenntnis gesetzt.«
Jetzt hörte man den Seufzer, fast demonstrativ klang er.
»Aber es gab kein Ergebnis. Kein unmittelbares. Es war nur so ein Gefühl, und ich komme nicht mit Gefühlen zu Ihnen. Ich warte, bis ich etwas in der Hand habe.«
Er wandte sich zu ihr. Sie aber drehte den Kopf weg und sah aus dem Seitenfenster.
»Außerdem bin ich der Ansicht, dass es nur förderlich sein kann, wenn jemand sie unvoreingenommen und mit frischem Blick prüft. Jemand, der sie nicht kennt.«
Er hörte Hartvigsen da sprechen und verkniff sich eine scharfzüngige Antwort. Stattdessen zwang er sich, Fragen zu stellen, denn bei einer Dicte Svendsen wusste man nie, insofern hatte Lena Lund natürlich recht.
»Sie meinen also, sie hat etwas mit dem Solarium-Fall zu tun? Inwiefern?«
Sie sah ihn an mit diesem Blick einer übereifrigen Ermittlerin.
»Weil sie lügt. Oder nicht die Wahrheit sagt oder wie wir das auch immer nennen wollen. Haben Sie Frau Svendsen bei der letzten Pressekonferenz gesehen?«
Er hatte sie registriert, aber kein einziges Mal zu ihr hingesehen.
»Ich habe sie die ganze Zeit beobachtet. Und sie hat besonders stark reagiert, als das Foto von Boutrup gezeigt wurde.«
Lena Lund richtete den Blick nach vorne: »Sie kennt ihn. Sie weiß, wer er ist, darauf verwette ich meine Polizeimarke.«
Wagner fuhr schweigend weiter. Dann wuchs ein Lächeln in ihm bei der Vorstellung, dass diese beiden Frauen in einem Raum saßen: Dicte Svendsen und Lena Lund waren in vielen Dingen vollkommen verschieden, aber es gab auch Ähnlichkeiten. Dieser Drang, als Einzelkämpfer zu arbeiten, die Lust an Geheimniskrämerei und das extrem egoistische Bedürfnis, sich hervorzutun und besser als alle anderen zu sein. Er konnte sich keinen Menschen vorstellen, mit dem Dicte größere Schwierigkeiten haben würde als mit Lena Lund, und andersherum. Bei dieser Unterhaltung wäre er für sein Leben gerne ein Floh im Fell vom alten Svendsen gewesen.
Nachdem sie von der Befragung der Freundin Astrid Bak zurückgekehrt waren, rief er seinen guten Freund Kim Meinert an, mit dem er in seiner Zeit schon an zwei großen Mordfällengearbeitet hatte. Meinert war mittlerweile pensioniert und lebte in Ålborg. Er war einer der Kollegen, die ihre Chance im Zuge der Polizeireform genutzt und sich früh in den Ruhestand verabschiedet hatten. Wagner kam ohne Umschweife zur Sache.
»Wir haben eine sehr gute Ermittlerin von euch geerbt. Lena Lund. Kennst du sie?«
»Die eiserne Lady!«
Wagner hörte das Grinsen förmlich. »Dann wünsche ich euch Glück auf. Das werdet ihr gebrauchen können.«
»Wie meinst du das?«
»Das hast du bestimmt schon selbst festgestellt, sonst hättest du nicht angerufen. Du hast einen Fuchs im Hühnerstall, wenn ich diese etwas unpassende Metapher verwenden darf. Lena Lund ist eine Expertin darin, in einem Ermittlerteam Zwietracht zu säen, ihre Vorgesetzten infrage zu stellen und hinter dem Rücken aller
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