Rachmann, Tom
morgen sagst, meinst
du in zwei Wochen?«
»Ich meine morgen. Genau
morgen.«
»Auch bekannt als zwei Tage
nach gestern?«
Er kommt nicht. Sie möchte
laut losschreien. Aber so ist er: absolut locker, was allerdings für alle
anderen absoluten Stress bedeutet. Das darf sie doch inzwischen nicht mehr
wundern. Dann holt sie ihn eben wieder aus seiner Bruchbrude irgendwo in
Trastevere, als wäre er ein kleiner Welpe, der zum x-ten Mal aus dem Tierasyl
gerettet werden muss und bei ihrem Anblick freudig mit dem Schwanz wedelt,
aber garantiert in derselben Minute davonhüpft, in der sie sich entfernt.
Soweit sie weiß, verbringt er die Zeit ohne sie mit Büchern über die CIA und Billigwein-Gelagen
mit seinen italienischen Hippie-Freunden. Seine Improvisationskurse sind
offenbar eher hypothetisch als faktisch. Aber jeder Mensch braucht etwas zu
tun, beschließt sie, vor allem, wenn er es gar nicht tut.
Was er an Geld hat, kommt von seinem
Vater, aber unregelmäßig, also ist er eine Woche lang flüssig und in der
nächsten pleite. Und er hat eine eigenwillige Art, es auszugeben: für einen
limonengrünen Wecker, zum Beispiel, obwohl er morgens gar keinen Grund zum
Aufstehen und auch kein Essen in der Wohnung hat. Wenn er pleite ist, steckt
Hardy ihm heimlich Geld in die Jackentasche. Ab und zu redet sie ihm zu, doch
endlich seine Improvisationskurse aufzuziehen oder sich irgendeinen anderen
Job zu suchen - Englischkurse vielleicht. Aber Rory träumt weiter von seinem
Durchbruch als Comedian und geht fest davon aus, dass der Ruhm gleich um die
Ecke auf ihn wartet, aber wie er den Durchbruch hier in Italien schaffen will,
ist ihr ein Rätsel. Zumal er zwar eine Frohnatur ist, aber nicht unbedingt ein
Komiker. Hardy jedenfalls will seine Stand-up-Nummern nicht mehr hören. Und
macht ihm das höflich, aber bestimmt klar.
Eines Nachmittags fragt
Annika: »Ich wüsste vielleicht einen Einmal-Gig für Rory, was hältst du davon?«
»Wie willst du denn da drankommen?«
»Du schäumst nicht grad über
vor Begeisterung.«
»Doch, doch. Erzähl schon.«
Annika hat einen Flyer
aufgeschnappt, irgendeine Benefizparty in irgendeiner Kiezkneipe für die
Fußballmannschaft von >Radio Vatikan<. Eine Band habe der Veranstalter
schon, aber er suche noch andere Gigs. »Geld gibt's nicht, aber da kann er
Praxis kriegen«, sagt Annika. »Und ganz ohne Stress - einfach vor einem Haufen
freundlicher Säufer.«
»Du legst dich für seine
Karriere mehr ins Zeug als er«, sagt Hardy. »Fällt mir auch auf.«
Hardy und Rory treffen sich
mit Annika und Menzies in der Kneipe. Das Publikum ist zahlreich und
ausgelassen, hinten auf der Bühne steht ein Schlagzeug und davor ein
Mikrofonständer.
»Echt grandios, echt«, sagt
Rory und taucht ab, die Leute zählen.
Hardy greift unterm Tisch nach
Annikas Schenkel. »Ich bin so aufgeregt.«
»Du bist aufgeregt?«, sagt
Annika. »Du musst doch nicht auftreten.«
»Ich weiß. Trotzdem.«
Rory taucht wieder auf,
strahlend.
»Und
- Lampenfieber?«, fragt Menzies. »Kein bisschen. Wo kriegt man in Italien schon
mal 'ne Chance für Stand-up-Comedy auf Englisch?«
»Fast
nirgends, nehme ich mal an.«
»Da
haben Sie vermutlich recht.«
»Was
für eine Art Comedy machen Sie?«
»Wie
meinen Sie?«
»Na,
wenn Sie Ihre Nummer beschreiben müssten?«
»Sie
werden begeistert sein.«
Hardy schmiegt sich an Rory
und flüstert ihm zu: »Ist, glaub ich, der richtige Augenblick für die nächste
Runde.« Sie steckt ihm unterm Tisch fünfzig Euro zu.
Rory klopft Menzies auf die
Schulter. »Dann will ich uns noch mal was holen, Leute. Dasselbe noch mal, die
Damen?«
Der Moderator - ein Engländer,
normalerweise zuständig für das Verlesen nüchterner Meldungen im >Radio
Vatikan<, aber heute Abend im Harlekinskostüm - joggt auf der Bühne herum.
»Alle Mann bereit?«
»Ich glaub, ich bin dran«,
sagt Rory. Er nickt Hardy zu und macht sich auf zur Bühne. Vor ihm teilen sich
die Zuschauerreihen, wildfremde Menschen klopfen ihm auf den Rücken.
»Kein Grund zur Sorge - es
wird schon werden«, sagt Annika zu Hardy.
Die Menge murmelt, als Rory
die Bühne erklimmt. Er zieht die Schutzhaube auf dem Mikro ganz fest und hält
sich gegen das Scheinwerferlicht eine Hand über die Augen. »All right«, sagt
er.
»Wersn der Typ?«, blökt ein Betrunkener.
Rory
stellt sich vor.
Er erntet einen Schwall verächtlicher »Hallos«. Hardy
kneift Annika ins Bein. »Das halte ich nicht aus.«
»Wieso bist du denn
Weitere Kostenlose Bücher