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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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Alle Iren, die ich kennenlerne, scheinen aus
dem County Cork zu kommen. Muss inzwischen regelrecht leergefegt sein.«
    »Nein, nein - 'ne Menge
Menschen da«, erwidert er treuherzig. »Haben Sie das gehört? Dass es da
leergefegt ist?«
    »War 'n Witz. Jetzt mal zurück
zum Geschäftlichen: Meine Versicherung wird sich kaum für Sie interessieren,
und deshalb muss ich die Sache melden. Die Einbrecher haben mir das Fenster
zerschmissen, und in Rom kostet so was ein Vermögen.«
    »Ein Fenster? Sonst nichts?
Himmel, das kann ich doch übernehmen.«
    »Sie wollen mir das Fenster ersetzen?«
    »Klar.«
    »Wie?«
    »Eine neue Scheibe einsetzen.«
    »Das wollen Sie machen?«
    »Aber sicher.«
    »Na schön, und wann?«
    »Jetzt gleich, wenn Sie wollen.«
    »Geht nicht - ich muss zurück
zur Arbeit. Außerdem, brauchen Sie dafür nicht Material?«
    »Zum Beispiel?«
    »Glas, zum Beispiel.«
    »Ach ja«, er nickt, »da ist was dran.«
    »Ich möchte die Sache nicht
verkomplizieren, aber die Polizei hat praktisch zwei Wochen gebraucht, um Sie
aufzuspüren. Und ich verbringe nicht den Rest meiner Tage damit, so lange
hinter Ihnen herzulaufen, bis Sie mir das Fenster reparieren.«
    »Sie trauen mir nicht?«
    »Es geht nicht darum, ob ich
Ihnen traue. Ich kenne Sie einfach nicht.«
    »Hier - meine Visitenkarte.«
Er drückt ihr ein Kärtchen in die Hand und macht seine Armbanduhr ab. »Die
können Sie auch behalten, als Pfand, so lange, bis ich Ihr Fenster repariert
habe.«
    »Eine Digitaluhr?«
    »Wenn Sie die nicht wollen,
suchen Sie sich was aus - irgendwas von dem hier.« Sein Krempel ist immer noch
auf dem Tisch ausgebreitet: CDs, Spionageromane mit Eselsohren, der
Katechismus, die Boxershorts.
    Ein Lächeln huscht über ihr
Gesicht. Sie sieht ihn an. Und stopft die Boxershorts in ihre Sporttasche. »Das
ist ein echtes Pfand.«
    »Die dürfen Sie nicht
nehmen!«, ruft er. »Was soll ich denn anziehen?«
    »Was haben Sie denn in den
letzten Wochen angezogen?«
    In der Espresso-Bar erzählt
sie Annika von dem Iren. »Und dann habe ich ihm seine Boxershorts geklaut.«
    »Was willst du denn mit der
Unterwäsche von irgendeinem alten Sack?«
    »Ist in Wirklichkeit ein
junger Typ. Aus Irland. Hat blonde Dreadlocks.«
    »Dreadlocks bei einem Weißen?
Wie traurig.«
    »Stimmt, aber er ist ziemlich
groß, da wirkt's ein bisschen weniger scheußlich. Oder? Aber ich bin echt blöde
- ich bin da rausgerannt, ohne ihm meine Nummern dazulassen.«
    »Ach, du hast doch seine
Unterwäsche - der taucht schon auf.«
     
    Tut er aber nicht. Hardy ruft
die Nummer auf seiner Karte an und hinterlässt eine Nachricht. Er ruft nicht
zurück. Sie hinterlässt noch eine. Wieder kein Rückruf. Schließlich geht sie zu
der Adresse, einer Art zugenagelter Garage. Er macht tatsächlich auf, kneift
die Augen gegen das Tageslicht zusammen. »Ach, Sie - hallo!« Er beugt sich
hinunter und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Sie fährt zurück,
überrumpelt. Er sagt: »Hab's voll vergessen. Wissen Sie - hab Ihr Fenster doch
voll vergessen, verdammt. Was bin ich für ein Idiot! Tut mir leid. Ich bring
das sofort in Ordnung.«
    »Ich muss jetzt leider
tatsächlich meiner Versicherung Meldung machen.«
    Er spielt mit einer seiner
Filzlocken. »Die blöden Dinger müssten mal weg. Finden Sie nicht auch?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ist so 'ne Tradition von mir.
Die haben was Exzessives.«
    »Exzessives?«
    »Ist so 'n Markenzeichen. Was
Ausgeflipptes.«
    »Sie meinen, Exzentrisches?«
    »Die sind eigentlich beknackt,
ne? Los, kommen Sie - Sie sägen mir die ab. In Ordnung?« Er winkt sie herein.
»Wovon reden Sie?«
    »Ich hol die Schere. Sie
schneiden die ab.«
    Der Raum ist eindeutig nicht
zum Wohnen gedacht. Es gibt kein Fenster, das einzige Licht kommt aus einer
Halogenlampe in der Ecke. Eine vergilbte Matratze steht hochkant an der Wand,
daneben ein ramponierter Rucksack, ein Kleiderstapel, Bälle und Keulen zum
Jonglieren und seine Spionageromane und der Katechismus. An eine Wand sind
Waschbecken und Kloschüssel geschraubt, keine Abtrennung für die Intimsphäre.
Der ganze Raum riecht nach alter, kalter Pizza. Er wühlt in einer Werkzeugkiste
herum und fördert eine Industrieschere zutage.
    »Ist das Ihr Ernst?«, fragt
sie. »Die ist ja so groß wie mein ganzer Torso.«
    »Was meinen Sie mit
>Torso    »Ich meine nur, das ist eine
große Schere.«
    »Die geht schon! Keine Bange,
Hardy.«
    Er setzt sich auf den
Klodeckel. Jetzt ist er etwa so groß wie

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