Rachmann, Tom
schaffen«, sagt er gutmütig.
»Soll ich nachschenken?« Sie
schenkt nach. »Tja, eingestellt haben sie mich für Finanzgeschäfte und das
Luxussegment. Aber inzwischen bin ich das Wirtschaftsressort. Wir hatten
früher noch so einen Veteranen in Paris, Lloyd Burko hieß der, der hat die paar
Sachen über europäische Wirtschaft geliefert. Inzwischen mache ich praktisch
alles allein.«
»Tolle Sache, Hardy.« Er merkt, dass ihre Miene sich
ändert. »Was ist denn daran komisch?«
»Nichts - ich höre nur gern, wie du Hardy sagst.«
»So heißt du doch, oder?«
»Ja. Ich meine, wie du das sagst.«
»Wie - wie?«
»Sag's noch mal.«
»Hardy.«
Sie lächelt. Dann fasst sie
zusammen. »Finanzberichterstattung funktioniert im Journalismus wie ein
Ausguss. Am Anfang schwimmt man da so rum, bis man irgendwann widerwillig
merkt, dass man gegen den Sog gar nicht mehr ankommt, aber da hat's einen auch
längst den Abfluss runter auf die Wirtschaftsseiten gespült.«
»So schlimm, echt?«
»Nicht ganz. Ich neige zum
Dramatisieren. Traurig, aber wahr ist allerdings, dass ich insgeheim voll drauf
bin auf dem Stoff - ich gehöre zu den Leuten, die sich sogar im Urlaub die
Börsenberichte von Morningstar holen. Ich
habe in meinem tiefsten Herzen das Gefühl, dass jede Story eigentlich eine
Wirtschaftsstory ist.«
»Ah«, sagt er.
»Aber ich hab da 'ne Macke.«
Er bringt seinen schmutzigen
Teller zur Spüle. Sie springt auf. »Nein, nicht, das brauchst du doch nicht.«
Sie stolpert. »Huch, ich glaub, ich bin beschwipst.« Sie sind sich sehr nahe in
der engen Küche. Sie sieht hoch. »Du bist aufreizend groß. Kommt mir vor wie
ein Vorwurf gegen alles, wofür ich stehe.«
»Du bist gar nicht so klein.«
»Wer sagt denn was von klein. Ich bin Minimalistin.«
Er beugt sich hinunter und
küsst sie. »Deine Nase ist eiskalt, Hardy.«
Sie betastet sie. Sie gibt
sich keine Mühe mehr, intelligent zu klingen. »Kannst du das noch mal machen?«
»Was?«
»Das, was du gerade gemacht
hast.«
»>Hardy< sagen?«
»Nein, danach. Was du eben
gerade gemacht hast.«
»Was denn?«
Sie küsst ihn. »Das. Mach
einfach weiter, bitte.«
Die Aktivitäten verlagern sich
ins Schlafzimmer.
Hinterher liegen sie
nebeneinander auf dem Bett, im Dunkeln. »Soll ich dir irgendwas holen?«
»Nein, nein, Hardy. Ich bin -
ah, herrlich.«
»Seh ich genauso. Noch einen
letzten Schluck Wein vielleicht?«
»Ein klitzekleines Schlückchen
könnte nicht schaden.«
Sie steht auf und flitzt barfuß
mit einem vollen Glas zurück ins Schlafzimmer. An der Tür sagt sie: »Ich hab
nicht gefroren vorhin, ich war nur aufgeregt.« Sie reicht ihm das Glas. »Wegen
der Nase, meine ich.«
Er trinkt. »Wunderbar.«
»Du klingst, als wärst du ein
bisschen betrunken. Aber nett irgendwie. Bezaubernd betrunken.« Sie lehnt sich
an ihn. »Was ist das eigentlich, die Tätowierung da?«
»Ein Wolf. Hab ich mir in
Sydney machen lassen. Gefällt er dir?«
»Ein Wolf? Ich hab gedacht,
das ist ein Seehund. Ein Seehund, der den Mond anheult. Aber auf jeden Fall
sehr schön.« Sie küsst ihn auf die Schulter. »Ist das schön, jemanden hier zu
haben.«
Am nächsten Tag in der
Espresso-Bar will Annika alles genau wissen. »Und hat dein Ire das Fenster
repariert?«
»Wir haben uns, ehrlich
gesagt, einen angetrunken.«
»Was, wirklich? Erzähl
weiter.«
»Nein, nichts weiter.«
»Doch, da war noch was.«
»Okay, etwas.«
»Und das Fenster?«
Hardy bestellt einen Glaser -
Rory soll sich, wenn er mal wieder vorbeikommt, nicht unter Druck gesetzt
fühlen. Aber eine Woche später ist er noch nicht wieder vorbeigekommen, hat
nicht angerufen, hat nicht zurückgerufen. Sie geht wieder zu ihm, auf eine
Enttäuschung gefasst. Aber er macht die Tür auf, küsst sie auf den Mund und
fragt, wo zum Teufel sie gesteckt hat. Am Ende nimmt sie ihn wieder mit zu sich
und gibt ihm zu essen, zu trinken und Logis, so wie zuvor.
»Ich komm echt gern hierher«,
sagt er am nächsten Morgen, bequem in ihrem Bett lümmelnd, während sie sich
zur Arbeit fertig macht. »Du hast eine richtige Badewanne.«
»Macht das meine ganze Anziehungkraft
aus? Vergiss bloß meine Dusche nicht.«
»Ich mag Badewannen lieber.«
»Du verschwindest aber nicht
gleich wieder, okay?«
»Was meinst du?«
»Verschwinden. Auch genannt
Abwesenheit von Rory. Mangel an Rory. Wohnung leer von Rory.«
»Sei nicht doof. Ich schenk
dir einen Ring.«
»Wann?«
»Wie wär's mit morgen?«
»Wenn du
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