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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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inzwischen
auch nicht mehr titelseitentauglich sind.«
    Menzies hat einen Vorschlag:
»Wir könnten den Über blick >Fünf Jahre 11. September< vorziehen, der
ist so gut wie fertig.«
    »Nein, der fünfte Jahrestag
ist erst Montag, den will ich fürs Wochenende haben.« Sie schweigt einen
Moment. »Okay, wir nehmen Lloyd.«
     
    Er ist betrunken, als Eileen
nach Hause kommt. Didier und seine Freunde sind noch in einem Jazzclub, sie ist
schon gegangen. Sie klopft an die Tür. Warum kommt sie nie einfach herein? Aber
davon wird er jetzt nicht anfangen. Erst mal holt er sofort noch ein Glas und
schenkt ihr auch einen Gin ein, bevor sie Nein sagen kann.
    »Musst dir morgen unbedingt
die Zeitung besorgen«, sagt er. »Seite eins.«
    Sie tätschelt ihm das Knie.
»Glückwunsch, Liebes. Wann hattest du so was zum letzten Mal?«
    »Als Roosevelt Präsident war,
schätzungsweise.«
    »Franklin oder Teddy Roosevelt?«
    »Eindeutig Teddy.« Er zieht
sie etwas rabiat zu sich und küsst sie. Es ist keins ihrer üblichen sanften
Küsschen, sondern eine wilde Umarmung.
    Sie weicht aus. »Nun ist aber
gut.«
    »Ja, richtig - stell dir vor,
dein Mann erwischt uns.«
    »Verdirb mir nicht die Laune.«
    »War nur ein Witz. Fühl dich
nicht mies - ich tu's auch nicht.« Er kneift ihr in die Wange. »Ich liebe
dich.«
    Eileen geht wortlos in die
Wohnung gegenüber. Er wirft sich aufs Bett und brummt betrunken: »Seite eins,
verdammt noch mal, ich glaub's nicht!«
     
    Eileen weckt ihn sanft am
nächsten Morgen und legt ihm die Zeitung aufs Bett. »Hier drinnen ist es
saukalt. Ich hab Kaffee gemacht.« Er setzt sich auf.
    »Ich hab deine Story gar nicht
gefunden, Liebes«, sagt sie. »Doch heute noch nicht drin?«
    Er geht die Überschriften auf
der Titelseite durch: »Blair-Rücktritt in zwölf Monaten«; »Pentagon untersagt
grausame Verhörmethoden bei Terroristen«; »Schwulenehe in Amerika heftig
umstritten«; »Australien trauert um >Crocodile Hunter<« und schließlich:
»Neues Umfragetief für Bush«.
    Auf Seite eins hat es seine
Gazastory also nicht geschafft. Er blättert die Zeitung durch. Sie steht auch
sonst nirgends. Fluchend ruft er in Rom an. Menzies ist selbst zu dieser frühen
Stunde schon an seinem Platz. »Was ist mit meinem Artikel passiert?«
    »Tut mir leid. Wir mussten ihn
rausnehmen. Dieser französische Pressestab-Freund von Kathleen hat noch mal
angerufen und alles dementiert. Gesagt, sie würden uns am Arsch kriegen, wenn
wir das bringen. Offizielles Dementi und alles.«
    »Irgendein Pressestab-Freund
von Kathleen pinkelt meinen Artikel an, und ihr lasst das durchgehen? Wie kommt
Kathleen überhaupt dazu, meine Arbeit nachzurecherchieren? Ich hab doch gesagt,
mein Sohn arbeitet im Ministerium.«
    »Ja, das ist auch so'n
schräges Ding. Kathleen hat ihn ihrem Freund gegenüber erwähnt.«
    »Sie hat meine Quelle
enttarnt? Seid ihr wahnsinnig geworden?«
    »Nein, nein - nun mal langsam.
Sie hat nicht gesagt, dass er deine Quelle ist.«
    »Das ist nicht schwer
rauszukriegen. Himmel noch mal!«
    »Lass mich doch mal ausreden,
Lloyd. Am Ende kam raus, da arbeitet niemand namens >Jerome Burko<.«
    »Ihr Volltrottel. Er hat den
Nachnamen seiner Mutter.«
    »Ach so.«
    Lloyd muss seinen Sohn warnen,
ihm Zeit für eine gute Ausrede verschaffen. Er ruft Jeromes Handy an, aber der
geht nicht dran. Vielleicht ist er zur Abwechslung mal früh bei der Arbeit.
Himmel, was für eine Katastrophe. Lloyd ruft im Ministerium an.
    Jemand in der Telefonzentrale
erklärt ihm schließlich: »Ich bin die Liste aller Mitarbeiter im Haus
durchgegangen. Der Name steht da nicht drauf.«
    Lloyd stürzt hinunter zum
Boulevard du Montparnasse, will ein Taxi heranwinken, lässt den Arm wieder
sinken. Er steht am Bordstein, zögert, befühlt seine Brieftasche. Sie ist
dünner denn je. Ach was soll's, wenn schon pleitegehen, dann richtig. Er winkt
nach einem Taxi.
    Die Sicherheitsleute lassen
ihn nicht ins Ministerium. Er nennt immer wieder den Namen seines Sohns, sagt
immer wieder, es gehe um einen familiären Notfall. Es nützt nichts. Er wedelt
mit seinem Presseausweis, der allerdings seit dem 31. Dezember 2005 abgelaufen
ist. Er steht vor dem Eingang und versucht es wieder mit Jeromes Handy. Leute,
die eine Zigarettenpause brauchen, kommen herausgeschlendert. Er sucht ihre
Gesichter nach seinem Sohn ab, fragt nach jemandem, der in der Nordafrika- und
Nahost-Abteilung arbeitet.
    »Ich kann mich an den jungen
Mann erinnern«, sagt eine Frau.

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