Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
Vom Netzwerk:
Zimmer blinkte: Ich hatte eine Nachricht. Jesse.
    Ich rief ihn zu Hause an, erzählte ihm von dem Vorfall im Biltmore und beschrieb den Blonden.
    »Kommt er dir bekannt vor?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Jesse, Chris Ramseur hat mich rausgeworfen. Da läuft irgendwas. Ich glaube, ich bin mitten in eine Polizeiaktion geraten.«
    »Brand ist in eine Sache verwickelt, von der Ramseur uns nichts erzählt hat?«
    »Ja. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass ich ihm ins Gehege komme.«
    Ich spähte aus dem Fenster. Die von den Scheinwerfern im Pool angestrahlten Palmen reflektierten das Spiel des Wassers. Die Vorhänge von Brands Zimmer waren nicht ganz geschlossen. Er telefonierte und lief dabei auf und ab.
    »Brand hat von dem Blonden irgendwas gekriegt, vielleicht eine Computerdisk. Das war vermutlich Sinn und Zweck des Treffens.«
    Plötzlich bemerkte ich, dass jemand einen Stuhl in die Tür zu dem Raum mit dem Wasserschaden gestellt hatte, damit sie nicht ins Schloss fiel. Mein Adrenalinspiegel schnellte in die Höhe.
    »Jesse, das Zimmer neben Brand ist offen«, sagte ich. »Durch die Verbindungstür hört man bestimmt jedes Wort.«

    Er schnaubte gereizt. »Jetzt warte erst mal ab.«
    »Das ist ja ganz was Neues.«
    »Nicht so hastig. Siehst du irgendwelche Polizisten?«
    »Nein.«
    »Quietschen deine Schuhe?«
    »Nein.«
    »Schmeiß bloß nichts um.«
    Ich setzte zu einer Antwort an, wurde jedoch durch einen schicksalhaften Augenblick daran gehindert. Meine geheimsten Wünsche schienen sich zu erfüllen. Brand trat mit einem Eiskübel in der Hand aus seinem Zimmer und schob bei geöffneter Tür den Riegel vor, sodass die Tür nicht ins Schloss fallen konnte.
    »Brands Zimmertür steht offen«, sagte ich. »Ich rufe dich zurück.«
    Jesse brüllte irgendwas, als ich auflegte.
     
    Ich stürzte in den Innenhof. Von meiner Seite aus konnte ich den Eiswürfelautomaten sehen, der in einem überdachten Durchgang hinter einer Ecke aufragte. Von Brands Zimmer aus betrug die Entfernung etwa fünfzig Meter. Wenn ich zwanzig Sekunden für seinen Weg dorthin und wieder zurück veranschlagte und zehn Sekunden, um den Eiskübel zu füllen, blieben mir dreißig, bis er wieder um die Ecke bog.
    Was konnte ich damit anfangen? Auf jeden Fall konnte ich die Verbindungstür zum Nebenzimmer aufschließen, was mir später von Nutzen sein mochte. Aber vielleicht war noch mehr drin.
    Brand hatte sein Kaschmirsakko abgelegt, in dem er bei dem Treffen mit dem Blonden das glänzende Objekt verstaut
hatte. Vielleicht konnte ich es – ja, was eigentlich? Es klauen, verbrennen, aufessen?
    Zumindest konnte ich das Ding kurz inspizieren und es mir gegebenenfalls ausleihen. Falls es sich tatsächlich um eine Computerdisk handelte, konnte ich sie auf meinen Laptop kopieren und dann zurückschmuggeln. Die Polizei interessierte sich für das Ding, hatte aber keinen Zugriff darauf. Es war klein, wertvoll und leicht zu verstecken oder zu vernichten. Wenn ich es nicht an mich nahm, ging es der Polizei vielleicht für immer verloren. Möglicherweise konnte ich mich damit bei Chris Ramseur für die geplatzte Aktion entschuldigen.
    Logische Schlussfolgerungen waren schon immer meine Stärke gewesen. Während Brand sich mit dem Rücken zu mir Richtung Eiswürfelautomat entfernte, rannte ich auf Zehenspitzen am Pool entlang zu seinem Zimmer. Mit einem letzten Blick auf ihn schlüpfte ich durch die Tür.
    Der Raum stank nach Aftershave, und der Fernseher dröhnte vor sich hin. Das Kaschmirsakko hing über der Stuhllehne. Ich zögerte. Rein technisch betrachtet, war ich nicht eingebrochen, aber dennoch kurz davor, einen Diebstahl zu begehen.
    Ich griff in die Jacke und fischte das Objekt aus der Innentasche. Es handelte sich tatsächlich um eine Minidisk von der Größe einer Visitenkarte.
    Ein Klopfen ließ mich zusammenfahren. Als sich die Tür langsam öffnete, ließ ich die Disk in meiner Hemdtasche verschwinden.
    Das Zimmermädchen lugte herein. »Ich bringe die Handtücher, die Sie bestellt hatten.«
    »Danke.«

    Ich kam mir vor, als stünde auf meiner Stirn in großen Lettern das Wort »Diebin« geschrieben. Als das Zimmermädchen ins Bad verschwand, flitzte ich durch die Tür, wobei ich fast gegen den Wäschewagen geprallt wäre.
    Im Hof wurden Stimmen laut. Aus dem Augenwinkel sah ich Brand um die Ecke kommen. Neben sich eine Frau. Sie hatte den Jackenkragen hochgeschlagen und das Haar unter einer Kappe verborgen. Aus dieser Entfernung war ihr Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher