Rachsucht
eine schlecht geerdete Elektrogitarre mit starker Rückkopplung. Er steuerte auf Franklin Brand zu, der mit einem Glas Whiskey in einer entfernten Ecke saß.
Der Blonde nahm ihm gegenüber Platz, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Als er anfing zu reden, ließ Brand das Glas sinken, und seine ganze Haltung versteifte sich.
Der Pianist spielte gerade ein melancholisches Stück, das es mir unmöglich machte, ihre Worte zu verstehen. Der Blonde schlug entspannt die Beine übereinander und schlürfte sein Bier. Brand dagegen wirkte, als hätte man ihm eine Handgranate in den Schoß geworfen. Als er sprach, waren seine Kiefermuskeln völlig verkrampft, und er fletschte die Zähne.
Man brachte mir meine Cola. Ich trank und beobachtete.
Dann wurde der Stuhl neben mir zurückgezogen. Ich sah ein Sakko und ein Karohemd mit Strickkrawatte. Der gereizte Gesichtsausdruck kam mir bekannt vor.
»Was tun Sie hier?«, fragte Chris Ramseur.
»Ich beobachte Brand und seinen neuen Tanzpartner. Lehnen Sie sich zurück, Sie versperren mir die Sicht.«
»Ihnen geht’s wohl nicht gut. Haben Sie einen Schlag auf den Kopf gekriegt, oder wieso spielen Sie plötzlich Drei Engel für Charlie?«
»Wer ist der Blondschopf?«, fragte ich.
Er beugte sich vor. »Ich weiß, dass Sie ein Hühnchen mit Brand zu rupfen haben. Aber jetzt verschwinden Sie trotzdem.«
»Zwischen ihm und Brand stimmt die Chemie nicht. Ich fürchte, das wird nichts mit der flotten Sohle auf dem Parkett.«
Ramseur trommelte mit den Fingern auf seiner Armlehne herum und fixierte mich. »Haben Sie schon mal daran gedacht, bei der Polizei anzufangen?«
»Ist das Ihr Ernst?« Ich stellte meine Cola ab.
»Sie sind smart, Sie lassen sich durch nichts bremsen, und Sie finden, Kriminelle gehören hinter Gitter. Schauen Sie bei Gelegenheit vorbei, und holen Sie sich ein Bewerbungsformular.«
»Danke für das freundliche Angebot.«
»Aber solange Sie nicht für uns arbeiten, halten Sie sich gefälligst aus Polizeiangelegenheiten heraus.«
Er nahm mich am Ellbogen und stand auf. Gezwungenermaßen folgte ich ihm in die Lobby und vor die Tür. Die Jazzmusik verklang.
»Sie können jetzt loslassen«, sagte ich.
Er blieb nicht stehen. »Wo haben Sie geparkt?«
Ich sagte gar nichts, als er mich die Einfahrt hinunterführte. Die Fenster der Lounge hinter uns schimmerten golden.
»Okay, ich hab’s kapiert. Ich …«
Er hob den Finger. »Geben Sie es auf.«
Ich verkniff mir jede Antwort. Hinter dem harten Blick seiner Augen las ich tiefe Sorge. Auf einmal wurde mir klar, dass er nicht sauer war, weil ich Brand beschattet hatte. Es ging gar nicht darum, dass ich mich auf sein Terrain gewagt hatte. Mein Mund wurde trocken.
»Ich habe Ihnen eine Aktion vermasselt, stimmt’s?«
»Fahren Sie einfach nach Hause.«
Mit einem kleinen Schubs ließ er meinen Arm los, wartete aber in der Einfahrt, um mir den Weg zu versperren. Über seine Schulter konnte ich durch die Fenster der Lounge Brand und den Blonden erkennen.
»Es tut mir leid, Detective«, sagte ich. »Ich verschwinde sofort.«
Das hatte ich tatsächlich vor, nur dass Brand in dem Moment sein Glas auf den Tisch knallte und aufsprang. Er fuchtelte mit dem Finger in Richtung des Blonden und wandte sich zum Gehen.
Der Blonde hob die Hand. Zwischen Zeige- und Mittelfinger glänzte etwas Flaches, Rundes. Brand zögerte. Der Blonde warf das Ding auf den Tisch.
»Detective«, sagte ich und deutete zum Fenster.
Bis Ramseur sich umgedreht hatte, saß Brand schon wieder auf seinem Platz und ließ den Gegenstand in seiner Jackentasche verschwinden.
»Goldlöckchen hat ihm gerade was gegeben«, sagte ich.
»Was?«
»Ich weiß nicht.« Dann kam mir ein Gedanke. »Könnte eine Disk gewesen sein.«
»Verschwinden Sie hier«, sagte er.
Auf dem Rückweg zum Hotel zückte Ramseur sein Handy und tippte eine Nummer ein. Ich marschierte zu meinem Auto, stieg ein und beobachtete weiter.
Ramseur hatte das Hotel noch nicht erreicht, als der Blonde herausgeschlendert kam. Seine Hände hingen locker neben dem Körper, als wollte er jeden Augenblick die Waffe ziehen. Scheinbar ganz auf sein Telefongespräch konzentriert, schritt der Detective an ihm vorbei. Der Blonde reichte einem
Parkwächter einen Schein. Eine Minute später stieg er in eine Corvette und fuhr davon.
Ich wartete. Gleich darauf erschien Brand, dessen goldenen Mietwagen ich bis zum Holiday Inn verfolgte. Das Lämpchen an dem Telefon in meinem
Weitere Kostenlose Bücher