Rachsucht
Sie es richtig gezeigt. Wir waren schwer beeindruckt«, sagte North.
Mir wurde allmählich mulmig zumute. »Das steht nicht in meinem Lebenslauf.«
»Sollte es aber«, meinte Rivera.
Ich musterte die beiden. »Wer sind Sie?«
»Miss Delaney«, sagte North, »wir möchten Sie engagieren, damit Sie unsere Memoiren schreiben. Wir zahlen gut. Sehr gut.«
Inzwischen war ich extrem nervös geworden. »Hören Sie auf, in Rätseln zu sprechen! Sagen Sie mir, wer Sie sind und warum ich auch nur eine Minute meines Lebens damit verbringen sollte, über Sie zu schreiben. Was tun Sie denn so Interessantes?«
»Wir befinden uns im Ruhestand«, erklärte er.
»Tut mir leid. Suchen Sie sich wen anders.« Ich wandte mich zum Gehen.
»Warten Sie«, sagte Rivera. »Tim hat nicht erwähnt, in welcher Branche wir vorher tätig waren.«
Sie wartete, bis ich sie ansah. Ihre Katzenaugen schienen mich zu durchbohren.
»Spionage.«
Jesse wischte sich die Hände an seiner Serviette ab. »Sag das noch mal.«
»Ich hab sie einfach ausgelacht.«
»Und bist gegangen.«
»Ich hatte keine Lust, noch mehr Zeit mit diesen beiden Witzfiguren zu verschwenden.«
»Eigenartiger Witz.« Er trank einen Schluck von seinem Eistee.
»Und was hat Chris Ramseur zu den Computerdrohungen gesagt?«
»Er wurde plötzlich sehr nachdenklich und will sich der Sache annehmen.«
Die Kellnerin rauschte an uns vorbei und legte uns im Vorübergehen die Rechnung auf den Tisch. Es war neun Uhr abends, und das Restaurant des Holiday Inn war so gut wie leer.
»Wie ist der Hummer?«, erkundigte ich mich.
»Schmeckt wie Huhn.«
Im Festsaal um die Ecke tobte das Familientreffen der Garcías mit Diavorführungen und lautem Gelächter am Dessertbuffet. In der Cocktail-Lounge sang ein Tenor mit viel Vibrato zur Hammondorgel.
»Wenn er noch einmal Memory jault, greife ich zum Flammenwerfer«, sagte Jesse.
Ich strich ihm über die Hand. »Ich hab jetzt Dienst. Fahr nach Hause.«
Er zahlte seine neun Dollar neunundneunzig für das Abendessen, und wir brachen auf. Nachdem wir uns mit einem Kuss verabschiedet hatten, holte ich mir für fünfzig Cent ein Snickers aus einem Automaten. Dann fiel mir ein, was für eine einsame Nacht vor mir lag, und ich investierte noch einmal fünfzig Cent für einen zweiten Schokoriegel.
Ich biss gerade in einen Pfefferminztaler, als ich sah, wie sich Brands Tür öffnete. Schlagartig war ich hellwach. Als er zum Parkplatz marschierte, folgte ich ihm. Er stieg in einen goldfarbenen Mietwagen. Ich heftete mich an seine Fersen.
Er fuhr durch Santa Barbara nach Montecito, bog schließlich
in Richtung Strand ab und stoppte vor dem Biltmore, der Grande Dame der örtlichen Hotels.
Am Eingang überreichte er einem dienstbaren Geist die Autoschlüssel. Ich parkte auf der Straße, hinter der Mauer zum dunklen Strand. In der Ferne hörte ich die Brandung auf den Sand schlagen und sah die Lichter der Ölplattformen vor der Küste durch die salzige Luft blinken. Als ich die Einfahrt hinauflief, fiel mir auf, wie gut angezogen die Leute waren, die aus dem Hotel kamen. Brand passte mit seinem Kaschmirsakko genau ins Bild. Ich dagegen trug ein altes Flanellhemd von Jesse, und meine Cordhose hatte am Knie ein Loch. Ich holte tief Luft und beschloss, mich als exzentrische Schriftstellerin auszugeben. Oder als Holzfäller.
Die Beleuchtung drinnen war gedämpft. Italienische Ledersohlen glitten über Terrakottafliesen. Ein Jazzpianist spielte in der Lounge, deren riesige Fenster auf den Ozean hinausgingen. Betont lässig schlenderte ich zu einem Tisch und tat so, als würde ich auf jemanden warten. Zum Beispiel auf Ernest Hemingway. Unauffällig versuchte ich, nach Brand Ausschau zu halten.
»Guten Abend! Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«, zwitscherte eine eifrige Kellnerin, für die das Leben ein einziges Fest zu sein schien. Ich bestellte eine Cola. Sie nickte und wandte sich ab, ließ jedoch erst einen Neuankömmling vorbei.
Seine Schritte waren bedächtig, aber sein schmales, scharf geschnittenes Gesicht erinnerte mich an eine Messerklinge. Obwohl ihm das blonde, lockige Haar bis auf die Schultern fiel, wirkte er keineswegs feminin. Mit der schwarzen Kleidung und dem braunen Spitzbart erinnerte er mich eher an einen Rockstar – oder an General Custer. Seine Augen versprühten
eine düstere Energie, und er hatte eine langhalsige Bierflasche in der Hand.
Die Kellnerin schlug einen weiten Bogen um sein Kraftfeld, als wäre er
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