Rachsucht
nicht zu erkennen.
Blitzschnell traf ich meine Entscheidung und huschte ins Nebenzimmer. Der Raum lag im Dunkeln und roch nach Feuchtigkeit und Schimmel. Auf dem Boden stand ein eingeschalteter Ventilator, der offenbar den Teppichboden trocknen sollte. Ich überlegte, ob ich den Stuhl ins Zimmer ziehen und die Tür schließen sollte, wollte aber keine Aufmerksamkeit erregen. Bei ausgeschalteter Beleuchtung und zugezogenen Vorhängen konnte mich ohnehin niemand entdecken.
Ich schlich mich zu dem Durchgang zwischen beiden Zimmern und öffnete vorsichtig meine Seite der Tür. Hinter der zweiten Tür, in Brands Zimmer, waren Stimmen zu hören. Wer war die Frau? Geliebte, Mutter oder Börsenmaklerin? War das die Frau von dem Unfall? Der surrende Ventilator war zu laut, als dass ich irgendwas verstehen konnte.
Ich trat näher an die Tür heran und warf dabei prompt einen Papierkorb um, der gegen die Wand prallte.
Mir stockte der Atem, und das Blut rauschte mir in den Ohren. Halb rechnete ich damit, dass Brand die Tür aufriss und hereinspähte. Doch nach ein paar Sekunden hörte ich wieder Stimmen. Der Ventilator schepperte derart, dass ich mein Ohr an die Tür pressen musste, um ein paar Brocken aufzuschnappen.
»… wie kann er es wagen …«, sagte Brands Bariton.
Die Frau murmelte etwas Unverständliches.
»… so ein Schwein! Dass er mich so hängen lässt!«
Sie lachte und sagte etwas, das mir ein Rätsel blieb. »… euch wird das Lachen schon noch vergehen, wenn …«
Ich lauschte angestrengt. Der Fernseher lief. Ich hörte Musik und – war das Gebell? Klang nach einem Chihuahua.
Die Stimmen verstummten. Ich hörte ein Klicken. Einer der beiden hatte die Tür zum Hof geöffnet. Hatte sich die Frau schon wieder verabschiedet? Ich spitzte die Ohren.
Hinter mir wurde der Stuhl, der die Tür aufgehalten hatte, mit einem Tritt ins Zimmer befördert. Das Licht flammte auf. Ich fuhr herum. Brand stand in der Tür.
9. Kapitel
Ich hechtete los, kam aber keinen Meter weit, bevor er wie ein Bär ins Zimmer polterte. Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss. Er packte mich am Arm und schleuderte mich gegen das Bett. Ich stolperte und fiel rücklings auf den Boden. Als ich mich aufrappeln wollte, drückte er mich auf den Teppich und presste mir die Hand vor den Mund.
»Wer sind Sie?« Seine grünen Augen funkelten wild. »Hat Mickey Sie geschickt? Sind Sie einer von seinen Handlangern?«
Ich wand mich, trat um mich und schaffte es schließlich, ihn in die Hand zu beißen.
Unwillkürlich zuckte er zurück.
Ich brüllte wie am Spieß.
»Aufhören! Hören Sie auf damit!« Seine Finger tasteten erneut nach meinem Gesicht.
Ich schrie immer noch, aber der Ventilator brummte so laut, dass mich vermutlich niemand hören konnte. Erneut legte sich mir Brands nach Aftershave stinkende Hand über Mund und Nase. Ich krallte mich in seinen Arm. Vergeblich. Am kleinen Finger trug er einen Ring mit einem Diamanten von der Größe eines Computerchips, der sich tief in meine Haut bohrte.
»Für wen arbeiten Sie?«
Nur eine Chance, dachte ich. Ich hatte nur eine einzige
Chance, ihm eine überzeugende Geschichte aufzutischen. Wenn er mich schon nicht laufen ließ, gelang es mir vielleicht zumindest, das Telefon zu erreichen. Eine gehörige Portion Frechheit war meine einzige Hoffnung.
Ich drosch auf seinen Arm ein, was er mit wütendem Schütteln quittierte.
»Falls Sie wieder schreien, wenn ich meine Hand wegnehme, breche ich Ihnen den Kiefer, das können Sie mir glauben.«
Ich blinzelte zum Zeichen, dass ich begriffen hatte. Seine Hand löste sich von meinem Gesicht.
»Mann, Ihr Rasierwasser stinkt wie die Pest. Verziehen Sie sich, sonst hängt mir der Geruch nachher in der Kleidung.«
Er schnitt eine Grimasse.
»Kathleen Evans, Los Angeles Times«, stellte ich mich vor.
»Sie sind von der Presse?«, fragte er verwirrt.
»Und Sie sind erledigt.«
Er wurde blass. Sein Atem schlug mir ins Gesicht.
»Sie haben zwei Alternativen«, sagte ich. »Wenn Sie so weitermachen wie bisher, können Sie sich auf neue Schlagzeilen einrichten. ›Todesfahrer wird wieder gewalttätig‹ zum Beispiel.«
Seine Hand schwebte über meinem Kinn. Er starrte mich wütend an. »Und was ist die andere Alternative?«
»Wir setzen uns in die Bar, und Sie erzählen mir Ihre Seite der Geschichte.«
»Sie wollen ein Interview?«
»Unzensiert, in Ihren eigenen Worten.«
Er lachte schallend. »Soll das ein Witz sein? › Franklin Brand
Weitere Kostenlose Bücher