Rachsucht
nicht mein Problem.«
Wir passierten die First Presbyterian Church und zweigten in die State Street ab.
»Haben Sie ihm erzählt, Brand und ich wären Busenfreunde? Kenny, der ewige Versager!« Er imitierte den schroffen Bass seines Vaters. »Kenny, ab nach drinnen und kümmer dich um die Gäste! Kenny, bohr nicht in der Nase! Kenny, kommt gar nicht infrage, dass du Stuntman wirst. Du darfst keine Motocrossrennen fahren. So was tut man in unserer Familie nicht. Tu dies nicht, tu das nicht.«
Er starrte mich an und fuhr bei Rot durch. »Hätten Sie gern so einen Vater?«
»Nein, aber wie wäre es, wenn Sie das Tempo drosseln?«
Immer schneller schlängelten wir uns durch den Werktagsverkehr. Ich drückte mich in meinen Sitz und klammerte mich an die Tür. Hinter Kennys ebenmäßigen Zügen und der Filmstarfrisur verbarg sich ein verbitterter Mensch.
»Aber er hat ein schlechtes Gedächtnis. Mein geheiligter Vater, der Retter der Nation, hat ein schlechtes Gedächtnis. Ich habe Frank eingestellt, aber mein Vater hat ihn zum
Topmanager gemacht.« Mit quietschenden Reifen bogen wir in die Hope Avenue ein. »Pech gehabt. Nach dem Unfall musste Dad einsehen, dass er aufs falsche Pferd gesetzt hatte.«
Wir schleuderten in die Einfahrt zum Calvary Cemetery. Links von uns erstreckten sich Grünanlagen. Die Fahrstraße schlängelte sich zwischen stillen Rasenflächen und Bäumen hindurch, die die liegenden Grabsteine beschatteten.
»Erklären Sie mir doch, was wir hier suchen – ich bin ganz Ohr«, sagte ich.
»Hier.«
Er stoppte am Randstein, stellte den Motor ab und sprang hinaus. Einigermaßen mitgenommen folgte ich ihm eine Anhöhe hinauf. Ich wusste selbst nicht, was ich mir dabei gedacht hatte, zu ihm ins Auto zu steigen. Ein aufgebrachter Fahrer und ein schneller Sportwagen waren eine schlechte Kombination.
In der Nähe der Hügelkuppe wartete er unter einem Baum mit breiter Krone auf mich.
»Wo sehen Sie eigentlich die Verbindung zwischen mir und Brand? Seien Sie ehrlich. Ich will es wissen«, sagte er. »Nur raus damit. Nehmen Sie keine Rücksicht.«
Ich versuchte, in seinem Gesicht zu lesen.
»Keine Spielchen. Sagen Sie mir einfach, was Sie denken«, sagte er.
Ich tat ihm den Gefallen. »Ich glaube, Sie sind sein Helfershelfer. Sein Laufbursche. Ich glaube, Sie waren an der Unterschlagung beteiligt, und zwar von Anfang an.«
»Nur weiter.«
»Ich glaube, Sie versuchen, Jesse unter Druck zu setzen, seit er in Erfahrung gebracht hat, dass Brand wieder da ist.
Ich glaube, Sie stecken hinter dieser Computer-Einschüchterungskampagne gegen ihn.«
»Ist das alles?«
»Ich glaube, Sie kriechen Franklin Brand in den Arsch.«
Er starrte mich mit verbissener Miene an. »Sie haben doch bestimmt gelesen, dass ich eine Freundin hatte, die ums Leben gekommen ist. Yvette.«
»Ja.«
Er deutete auf den Boden hinter mir. Auf dem Grabstein las ich ihren Namen.
»Der Fahrer fuhr doppelt so schnell, wie an dieser Stelle erlaubt war«, sagte er. »Yvette wurde herausgeschleudert, der Wagen überschlug sich und landete auf ihr. Sie wurde praktisch in zwei Stücke geschnitten.«
Ich starrte den Grabstein an. Allmählich ging mir ein Licht auf. Yvette Vasquez.
»Sie war Mari Diamonds Schwester?«
Er nickte. »Der Fahrer hat sie liegen lassen und ist abgehauen. Sie war siebzehn.«
»Das tut mir leid.«
Er kniete sich neben den Grabstein und fuhr mit dem Finger über die in den Stein gemeißelten Buchstaben. »Brand hat Ihren Lebensgefährten absichtlich überfahren und dem Sandoval-Jungen den Kopf zerquetscht wie eine Melone. Und dann ist er abgehauen.« Er blickte auf. »Glauben Sie wirklich, dass ich mit so einem Typ noch was zu schaffen haben will?«
Ich sah ihm in die Augen und fragte mich, ob er auf seine plumpe Art wirklich die Wahrheit sagte.
Er wischte sich den Staub von den Händen und erhob sich. »Sie wissen, dass ich nichts für Ihren Freund übrighabe. Er
hat mit dem Unfall ein Vermögen verdient. Das ist aber keine Entschuldigung für das, was Frank getan hat.«
Der Wind strich über mich hinweg. »Fast wäre ich darauf reingefallen.«
»Was?«
»Bis Sie anfingen, über Jesse herzuziehen, taten Sie mir fast leid.«
»Machen Sie sich doch nichts vor. Er nutzt seine Behinderung aus. Er benutzt Sie. Sie tun alles für ihn. Sie reden sogar für ihn.«
Rudenski war aufgebracht und manipulativ. Eigentlich hätte ich ihm gar kein Gehör schenken dürfen, aber ich kochte vor Wut. »Und Ihnen ist es
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