Rachsucht
Liebesszenen wären besser.«
»In dem neuen Buch wird die Heldin in ein Feuergefecht in den Rocky Mountains verwickelt.«
»Na ja, Berge sind auch gut. Irre spannend, wenn die Leute über dem Abgrund hängen.«
»Sie hängt aber nicht über dem Abgrund. Sie treibt sich in den unterirdischen Gängen des Nordamerikanischen Luftund Weltraumverteidigungskommandos herum.«
»Das ist ja blöd. Kann sie nicht auf ein Dach klettern, um zu entwischen? Das würde sogar ich lesen, selbst wenn Mutanten vorkommen.«
»Nein. Meine Heldin flieht nicht über das Dach. Niemand tut das. Keine Dächer.«
Sie runzelte die Stirn, nippte an ihrem Eistee und tupfte sich mit einer Serviette die Lippen ab.
»Aber eine Zeitreise wäre gut. Sie könnte einem Highlander begegnen und ein Kind mit ihm haben.«
Den Rest hörte ich nicht mehr. Vermutlich reichten ihre
Ideen für eine komplette Trilogie. Niedergeschlagen stellte ich mir die Zukunft mit Taylor als meiner selbsternannten Muse vor. Das war so deprimierend, dass ich mich nach dem Essen durch Shopping dafür entschädigen musste. Für mein gestohlenes Handy kaufte ich mir ein funkelnagelneues pfiffiges kleines Gerät, das laut Beschreibung nicht nur Textfunktionen und Spiele bot, sondern auch mit einem mobilen Ortungssystem ausgestattet war, das die Feuerwehr alarmierte, wenn ich in Not war. Danach erstand ich ein Kilo Pralinen.
Taylor fuhr mich nach Hause. Während sie sich noch über Dessous und das Nordamerikanische Verteidigungskommando ausließ, klingelte ihr Handy. Ich wühlte es aus ihrer Tasche und nahm den Anruf an.
»Wer ist da?«, fragte eine Männerstimme in dem näselnden Tonfall von Oklahoma.
»Ed Eugene? Ich bin’s, Evan Delaney.«
Drohendes Schweigen. »Ich will meine Frau sprechen.«
Ich erinnerte mich an ihn. Er war ein dürrer Mensch mit einem nichtssagenden Gesicht und flinken Vogelaugen.
»Die fährt gerade«, sagte ich.
Er schnalzte verächtlich mit der Zunge, wie es Teenager bei besonders begriffsstutzigen Eltern tun. »Halt ihr das Telefon ans Ohr.«
Widerwillig tat ich ihm den Gefallen.
»Hallo, Schatz«, flötete Taylor. »Evan zeigt mir gerade die Stadt. Wir sind am Strand, schau mal, jetzt winken wir deiner Plattform …« Sie drehte sich zu mir um. »Winken, Evan.«
Ich winkte den Ölplattformen im Kanal.
Sie warf mir einen Seitenblick zu. »Er will mit dir reden.«
»Hallo, Ed Eugene«, sagte ich.
»Wer war bei dem Essen dabei?«, wollte er wissen.
»Taylor und ich.«
»Wirklich? Keine Männer?«
Das war also ein Kontrollanruf. Aus unerfindlichen Gründen hatte ich sofort das Gefühl, Taylor schützen zu müssen. »Das war ein Frauenausflug.«
Aber er hatte schon aufgelegt. Ich musterte Taylor, die den Blick auf die Straße gerichtet hielt.
»Der arme Schatz«, sagte sie. »Da draußen ist es so einsam, dass er jede Einzelheit wissen will.«
Entweder stand sie auf der Leitung, oder sie wollte einfach nicht kapieren. »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Alles bestens.«
Allerdings war sie danach auffällig still. Erst als wir in meine Straße einbogen, machte sie wieder den Mund auf. »Fast hätte ich es vergessen. Als ich auf dich gewartet habe, ist ein Mann vorbeigekommen, der mit dir sprechen wollte.«
»Wer?«
»Ein FBI-Agent.«
Ich starrte sie nur an.
»Er hat mir seine Marke gezeigt und mir seine Visitenkarte gegeben. Hier.«
Sie nahm die Karte aus ihrer Handtasche und reichte sie mir. Dale Van Heusen, Special Agent.
Taylor zupfte an ihrer Nagelhaut. »Was will denn das FBI von dir?«
Ja, was wollte das FBI von mir? Nachdem Taylor mich abgesetzt hatte, starrte ich eine Weile auf die Visitenkarte. Dann griff ich zum Telefon und wählte.
»Jesse Blackburn.«
»Rate mal, wer mich ins Visier genommen hat«, sagte ich und erzählte es ihm.
»Sei eine gute Staatsbürgerin. Ruf an und finde raus, was er will.«
Als wir uns verabschiedet hatten, wählte ich Van Heusens Handynummer, aber es meldete sich nur seine Mailbox. Während ich noch meine Nachricht hinterließ, klopfte Nikki an die Tür. Ich winkte sie herein.
»Ich bin deiner Cousine begegnet«, sagte sie.
»Du Ärmste.«
»Sie will eine Brautparty für dich veranstalten.«
»Was? Bitte nicht!«
»Es soll eine Überraschung werden. Sie wollte die Namen von all deinen Freunden wissen.«
Ich fuchtelte abwehrend mit den Händen. »Bloß nicht!«
»Ich sollte sie ins Haus lassen, damit sie dein Adressbuch durchgehen konnte.«
»Das ist ja furchtbar! Das
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