Rachsucht
ich.
»Natürlich«, erwiderte der Polizist.
Ich trank meinen Whiskey. Irgendwie war ich nicht in der
Lage aufzustehen, obwohl ich dringend etwas unternehmen musste. Aber die Bettdecke war zu gemütlich. Die Polizisten verabschiedeten sich. Jesse brachte sie zur Tür.
Als er nicht zurückkam, wusste ich, wo er hingefahren war.
Zu Kenny Rudenskis Haus. Wütend vor sich hin schimpfend, stieg er aus und klingelte. Nach einer Minute klingelte er noch einmal. Schließlich drang eine blecherne Männerstimme aus der Sprechanlage.
»Was wollen Sie?«
»Lassen Sie mich rein, Rudenski.«
»Sammeln Sie Spenden? Tut mir leid, aber ich gebe nichts.«
Jesse hörte ihn lachen. Als er sich umschaute, entdeckte er die über dem Lautsprecher montierte Videokamera.
»Sie haben Brand verraten, wo er Evan finden kann. Sie haben ihr den Kerl auf den Hals gehetzt. Aber diesmal kommen Sie damit nicht durch.«
»Wie machen Sie das?«
»Wie mach ich was?«
»Aufrecht stehen.«
Jesse starrte in die Kamera, holte tief Luft und spuckte dagegen.
»Sie armseliges Würstchen«, sagte Rudenski.
Dann schaltete sich die Sprechanlage aus.
Um acht Uhr am nächsten Morgen marschierte ich unter einem trostlos grauen Himmel in die Zentrale von Mako Technologies. Amber Gibbs hatte sich mit einer heißen Schokolade an der Rezeption eingerichtet und las den Cosmopolitan.
»Ich möchte Kenny Rudenski sprechen«, sagte ich.
»Den Junior? Der ist noch nicht da.«
»Dann holen Sie seinen Vater.«
»Wird erledigt.« Sie griff zum Telefon.
»Seine Sekretärin wird versuchen, mich abzuwimmeln. Erklären Sie ihr, das ist ein Fehler. Die Sache ist dringend, Rudenski senior wird sauer sein, wenn sie mich wegschickt.«
Amber runzelte die Stirn, aber sie sagte genau, was ich ihr aufgetragen hatte.
»Noch was.« Ich deutete auf ihre Illustrierte. »Lassen Sie sich vom Chef nicht dabei erwischen, wie Sie diesen Artikel mit dem Titel › Länge ist nicht alles. Auch die Dicke zählt ‹ lesen.«
Sie war immer noch rot im Gesicht, als George Rudenski in die Lobby trat. Neben dem baumlangen Manager kam ich mir vor wie ein Zwerg.
»Gehen wir ein Stück«, sagte er und rückte sein Sakko zurecht.
Wir ließen den Parkplatz hinter uns, wo ein Mitarbeiter nach dem anderen eintrudelte. Der graue Himmel hing schwer über uns, und Rudenskis Blick war ebenso eisig wie die Luft.
»Allmählich bekomme ich es satt, dass Sie mich zu sich zitieren, Miss Delaney.«
Ich hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. »Brand ist gestern Abend in mein Haus eingebrochen. Er hat mich bedroht und sich mit Jesse geprügelt.«
Rudenski blickte starr gerade aus. Seine Miene war grimmig. »Wurde jemand von Ihnen verletzt?«
»Blaue Flecken.«
»Die Sache ist sehr bedauerlich. Haben Sie die Polizei gerufen?«
»Ja. Aber Brand war schon weg.«
In flottem Tempo marschierten wir an den von Sprinklern beregneten Rasenflächen der benachbarten Firmen entlang.
»Harley Dawson legt für Sie die Hand ins Feuer«, sagte er. »Aber ich begreife nicht, warum Sie mir das so brühwarm erzählen müssen.«
»Weil Brand mir etwas für Ihren Sohn aufgetragen hat. Ich zitiere: ›Richten Sie ihm aus, wenn es mich erwischt, ist er auch dran.‹«
Er blieb stehen und griff nach meinem Arm. »Was zum Teufel soll das heißen?«
»Was glauben Sie? Es war eine Drohung. Und es bedeutet, dass Ihr Sohn in Brands kriminelle Machenschaften verstrickt ist.«
»Das ist eine ungeheuerliche Anschuldigung.«
»Brands Worte, nicht meine.«
»Eine Drohung ist es auf jeden Fall. Brand will den Ruf meines Sohnes besudeln und die Firma ruinieren.« Er setzte sich erneut in Bewegung. Seine Schultern waren angespannt. »Wie können Sie so naiv sein?«
»Wie bitte?«
»Die Worte eines Mörders für bare Münze zu nehmen.«
»Die Polizei fand mich gar nicht so naiv.«
»Was haben Sie vor?« Er blieb erneut stehen. »Planen Sie eine Enthüllungsgeschichte? Wollen Sie Mako mit Diamond Mindworks in einen Topf werfen und behaupten, Hightech wäre Gangsterbusiness? Das werde ich nicht zulassen.«
»Ganz bestimmt nicht, Mr. Rudenski.«
Er breitete die Arme aus. »Schauen Sie sich doch um.« Er
deutete auf die Firmengebäude um uns herum. »Elektronik. Luftfahrt. Rüstungsindustrie.« Er wies auf die in der Ferne sichtbare Universität. »Molekulare Biophysik. Computernetzwerke. Haben Sie eine Ahnung, wie wichtig die Leute hier für die Entwicklung der vernetzten Welt sind?«
»Auf Ihre Belehrungen
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