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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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dieser Affäre zu machen? Woher wusste er überhaupt davon? Das gefiel mir überhaupt nicht. Wie nah stand er Harley?
    Und was war mit den Fotos? Wer hatte die geschossen? Und warum?
    Jesse und Harley. Mein Magen rebellierte. Ich schaltete auf einen anderen Sender. Sei nicht so kindisch, Evan.
    Die Fotos. Es gab nur eine einzige plausible Erklärung. Erpressung. Harley wurde von I-Heist erpresst und gezwungen, für die Gangster Geld zu waschen. Sie war tatsächlich einer ihrer Kanäle.
    Ich stand auf und rief Jesse an.
    Er hob nicht ab.
     
    Die Sonne ging auf. Das Gras vor meinen Fenstern funkelte im Licht smaragdgrün, und der Hibiskus explodierte zu einer Vielfalt blutroter Münder. Ich fühlte mich völlig leer. Jesse rief ich nicht noch einmal an. Er konnte ja meine Nachricht abhören. Falls er da war.
    Und bei Harley meldete ich mich erst recht nicht.
    Ich arbeitete den ganzen Tag und fuhr dann zur Santa Barbara High, wo ich auf der Aschenbahn ein Pyramidentraining mit Intervallen von zweihundert, vierhundert und sechshundert Metern absolvierte. Dann dasselbe in umgekehrter Reihenfolge. Es war eine läuternde Erfahrung. Und ungefähr so angenehm, als würde man sich immer wieder mit dem Hammer auf den Fuß schlagen. Beim Heimweg hielt ich an einem Blumenstand und kaufte einen Strauß für Nikki, um mich für die Brautparty in ihrem Haus zu bedanken. Ich hob gerade die Hand, um an ihre Tür zu klopfen, als sie mit Thea auf der Hüfte öffnete.

    »Perfektes Timing«, begrüßte sie mich.
    Ich überreichte ihr die Blumen und bedankte mich bei ihr.
    »Das hab ich gern getan, Schätzchen. Noch mal möchte ich so was zwar nicht erleben, aber für dich tu ich doch alles. Komm, wir tauschen.«
    Sie gab mir das Baby. Ich folgte ihr in die Küche.
    »Wir sind bestimmt so gegen zehn wieder da. Brahms ist dramatisch, aber nicht sehr lang.« Sie reichte mir eine Wickeltasche. »Da ist alles drin. Pampers, Feuchttücher, was zu essen. Das volle Programm.«
    Ich blieb wie angewurzelt stehen. Thea patschte auf meinen Arm und sagte: »Ean.« Wovon redete Nikki?
    »Sie hat heute keinen Mittagschlaf gehabt, kann also sein, dass sie früh ins Bett will. Danke fürs Aufpassen. Du bist ein Schatz!«
    »Gehen wir«, sagte Carl von der Haustür. Nikki kraulte Thea unterm Kinn und verschwand. Ich kratzte mich am Kopf.
    Bei mir zu Hause ließ ich Thea auf dem Teppich herumkrabbeln. Wenn ich meine Babysitterpflichten vergessen hatte, waren mir vielleicht auch noch andere Dinge entfallen. Ich warf einen Blick in den Terminkalender auf meinem Schreibtisch.
    Neunzehn Uhr – Organistin/Musik für die Trauung.
    Ich stöhnte auf. Es war fünf nach.
    Sag einfach alles ab, flüsterte eine boshafte Stimme in meinem Hinterkopf. Aber so weit war ich noch nicht. Ich schnappte mir Thea und meine Autoschlüssel. Dann fiel mir ein, dass ich im Explorer keinen Kindersitz hatte. Also holte ich Theas Sportkarre von der Veranda hinter dem Haus,
setzte sie hinein und trabte in Richtung Kirche. Thea schaute zu mir auf und brabbelte etwas Unverständliches.
    Sie rutschte ein wenig hin und her, schloss die Augen vor der Abendsonne und steckte den Daumen in den Mund. Die Straße stieg steil zu den grün leuchtenden Bergen an. Als ich mein Ziel erreicht hatte, war ich ordentlich ins Schwitzen geraten. Der Parkplatz lag völlig verlassen. Im Schatten der Kirche wiegten sich nur die Weiden im Wind. Zu sehen war niemand. Hatte die Organistin aufgegeben und war gegangen?
    Ich griff nach Thea. »Komm, Süße.«
    Sie hatte sich in eine Ecke der Sportkarre gekuschelt und schlief. Ich hob sie aus dem Wagen und nahm sie auf den Arm.
    Zur Chorgalerie hoch stieg man über eine lange Wendeltreppe im südlichen Glockenturm. Thea an die Brust gedrückt, hastete ich die Stufen hinauf. Meine Schritte hallten auf dem Beton. Auf halber Höhe führte ein Treppenabsatz auf die Galerie hinaus. Es war niemand da, aber die Orgelkonsole war aufgeklappt. Jemand hatte einen Becher mit Kaffee darauf abgestellt. Das Instrument war eingeschaltet – ich konnte hören, wie die Luft durch die Orgelpfeifen strömte.
    Ich spähte über das Holzgeländer. Der Boden der Kirche unter mir war im Dämmerlicht kaum zu erkennen. Der Raum wirkte verlassen, aber ich hörte Absätze auf den Steinfliesen klappern.
    »Hallo, Miss Gould?«, rief ich. »Ich bin hier oben.«
    Die Schritte verstummten. Da die Person direkt unter der Galerie stand, war sie für mich nicht sichtbar. Absätze scharrten auf den

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