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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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Arme brauchte, um das Baby zu halten. Ich drückte die Klinke der Tür zum Dach. Niemand flieht über das Dach. Keine Dächer. Hätte ich bloß Taylor besser zugehört. Wenn
Nikki mich jetzt hätte sehen können, hätte sie mich in Stücke gerissen, aber leider blieb mir keine Wahl.
    Meine Hand zitterte, doch die Tür öffnete sich. Ich trat nach draußen und schloss sie leise hinter mir.
    Sofort erfasste mich der Wind, der zwischen den Glockentürmen über das Giebeldach der Kirche pfiff und drohte, mich in den Abgrund zu reißen. Thea wurde unruhig, blinzelte und fasste mit der Hand nach meinem T-Shirt. Sie musste gespürt haben, wie mein Herz raste. Ich drückte sie fest an mich und strich ihr über das Haar.
    Die Aussicht war spektakulär: abfallende Rasenflächen und dahinter der Rosengarten und rote Ziegeldächer bis hin zum Meer. Noch spektakulärer war allerdings der Blick über das schmale Geländer. Auf der anderen Seite ging es nämlich senkrecht nach unten. Ein Sturz bedeutete den sicheren Tod. Ich sah schon die Schlagzeile: Tödliche Ironie – Glaube verleiht doch keine Flügel. Hier konnte ich nicht bleiben. In ein paar Sekunden mussten Lopez und Utley das obere Ende der Treppe erreichen. Und dann würden sie zu dem naheliegenden Schluss kommen, dass ich mich auf das Dach geflüchtet hatte.
    Ich schaute mich um. Die Giebelseite der Kirche wurde von Kreuzen und Statuen gesäumt, und eine schmale Treppe führte über den Dachgiebel zum zweiten Glockenturm.
    Ausgeschlossen. Nicht bei diesem Wind, nicht mit Thea, die jetzt in meinen Armen zappelte.
    Ich drehte mich um und suchte mit den Blicken das Dach ab. Direkt unterhalb der Stelle, wo die Dachschräge begann, war eine kleine Tür in die Mauer der Kirche eingelassen. Es schien, als könnte sie zu einem Verschlag mit Schaltschränken führen. Ich versuchte mein Glück.

    Der Raum war völlig dunkel, aber dann entdeckte ich einen Lichtschalter. Ich schlüpfte durch die Öffnung, zog die Tür hinter mir zu und knipste das Licht an.
    Das war kein Technikraum. Ich war im Dachstuhl der Kirche gelandet. Der lange, geschlossene Speicher reichte gut siebzig Meter bis zur hinteren Kirchenmauer. Die Luft war stickig, die Atmosphäre gespenstisch. Ich hielt den Atem an, löschte das Licht wieder und lauschte.
    Lopez und Utley traten draußen keuchend aus dem Glockenturm. Ich konnte sie vor der Tür hören.
    »Wo ist sie?«, fragte Utley.
    »Auf der anderen Seite«, meinte Lopez. »Sie muss die Treppe über das Dach genommen haben.«
    »Ich hab genug von Treppen. Sieh du nach.«
    »Du bist ein richtiger Sack, Win.«
    »Keine Anspielungen auf mein Gewicht. Das ist genetisch bedingt.«
    »Ich weiß.« Ihre Stimme entfernte sich zunehmend. »Das Salami-Pizza-Gen.«
    »Ich bin einfach ein guter Futterverwerter, du bulimische Zicke. Wenn ich mich ständig aufputschen würde, wäre ich auch so dünn wie du.«
    Ich drückte mich gegen die Wand und streichelte Theas Haar. Meine Arme zitterten. Wer hätte gedacht, dass Babys so schwer sein können? Sie wand sich immer noch und verzog das Gesicht. Ich wiegte sie und hoffte inständig, dass sie nicht anfing zu weinen. Die Luft war heiß, und in dem dämmrigen Licht, das durch die Lüftungsöffnungen am anderen Ende der Kirche hereinsickerte, tanzten Staubflocken.
    Schuhe klapperten über den Dachgiebel: Cherry Lopez kam zurück. »Nichts. Irgendwo muss sie doch sein.«

    »Vielleicht ist sie über das Geländer gefallen«, gab Utley zu bedenken.
    Für einen Augenblick herrschte Stille. Vermutlich spähten die beiden gerade nach unten. Mir standen allmählich die Haare zu Berge.
    »Okay, Einstein, wo ist sie hin?«, fragte Utley dann. »Sie muss die Treppe genommen haben.«
    »Nein. Überleg doch, Win. Sie ist nicht an uns vorbei. Sie ist hier oben.«
    »Du kannst einfach keinen Fehler zugeben, Cherry. Los, Mickey dreht durch, wenn wir sie nicht finden. Nach dem Fiasko von Vegas stehst du sowieso auf seiner schwarzen Liste.«
    »Wieso turnen eigentlich wir beide hier oben rum? Warum müssen immer wir die Kastanien aus dem Feuer holen?«
    »Weil er ein sadistischer Irrer ist, und wenn er es dir noch so gut besorgt. Außerdem bezahlt er uns.«
    Stille. »Ich fürchte, wir fliegen alle auf«, sagte sie dann.
    »Höchstens Mickey.«
    »Nein, wir alle. Wenn sich schon das FBI einschaltet! Die Sache mit Segue kommt mit Sicherheit raus.«
    »Wir brauchen nur noch ein paar Tage. Sobald wir Blackburn haben, können wir die restlichen

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