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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Haaren. Wenn sie ›dämlicher Hund‹ sagt, ist es Sabine. Susi sagt immer ›blöder Affe‹.«
    Frau Brauer sah bezaubernd aus und taute im Laufe des Nachmittags zunehmend auf. Ohne ihren Mann war sie charmant, witzig und überhaupt nicht schüchtern. Ich nahm mir vor, unsere noch sehr flüchtige Bekanntschaft zu vertiefen.
    Frau Vogt servierte Kuchen, der ausgezeichnet schmeckte, und Kaffee, der dünn und lauwarm war. Dazu bekamen wir einen Likör und einen genauen Bericht über ihre Gallenblase, die man ihr im vergangenen Frühjahr entfernt hatte.
    Von den Kindern hörten wir nichts.
    »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Hannelore hat ein paar Ratespiele vorbereitet, und Papier zum Malen ist auch genügend vorhanden«, beruhigte mich Frau Vogt, nachdem ich ihr den Höllenspektakel geschildert hatte, der regelmäßig Svens und Saschas Geburtstagsfeiern untermalte.
    Wie auf Kommando kam denn auch Riekchen die Treppe herunter und fragte vorwurfsvoll: »Wenn das da oben vorbei ist, dürfen wir doch spielen, nicht wahr?«
    Als ich um halb sechs kurz nach Hause ging, um Ofen zu füttern, saß Rolf gemütlich vor dem Fernseher. »Du bist schon da? Weshalb kommst du dann nicht rüber?«
    »Ich denke gar nicht daran!« sagte er angeekelt.
    »Aber du kannst doch Frau Vogt nicht so vor den Kopf stoßen!«
    »Blödsinn, davor hat sie sowieso ein Brett!« antwortete mein Gatte ungerührt, versprach dann aber, mich nachher abzuholen.
    Obermüller war schon da, stierte mißmutig in seinen Kaffee – ein für ihn sichtlich ungewohntes Getränk – und unterhielt sich mit Herrn Vogt über Schädlingsbekämpfung. Bisher hatten wir zwar noch keine, aber nach Herrn Vogts Ansicht waren Garten und Wühlmäuse untrennbar, weshalb er sich schon hinreichend über die verschiedenen Abwehrmöglichkeiten informiert hatte.
    Wittingers kamen. Beatchen gehörte zwar noch nicht zu den schulpflichtigen Kindern, aber »man kann die Eltern deshalb doch nicht von unserer kleinen Geselligkeit ausschließen«, hatte Frau Vogt am Nachmittag erläutert. Sie räumte das Kaffeegeschirr weg und verteilte kleine Schälchen mit Erdnüssen und Salzbrezeln. Die Häkeldeckchen hatte sie schon vorher entfernt. Nun brachte sie einen künstlichen Adventskranz und entzündete feierlich drei Kerzen.
    »Ach, ist das schön«, staunte Frau Wittinger, »künstliche Tannenzweige sind ja viel grüner als echte. Und sie nadeln überhaupt nicht.«
    Die Herren waren weniger begeisterungsfähig. »Det muß doch nach Weihnachten
riechen,
aba bei so’n Plastik- jestrüpp is det nich drin.« Obermüller erntete einen verstohlenen Fußtritt von seiner Frau.
    Zusammen mit Brauer erschien nun auch Rolf, und das war offenbar das Zeichen, mit dem gemütlichen Teil des Tages zu beginnen. Die Weinbrandflasche wurde aus dem Büfett geholt, Frau Vogt überprüfte die ohnehin blitzenden Gläser, indem sie sie einzeln gegen das Licht hielt und nicht vorhandene matte Stellen sorgfältig mit einer Serviette polierte, und dann schenkte Herr Vogt ein. Brauer kippte den Inhalt seines Glases auf einen Zug hinunter und wartete. Umsonst. Nachschub gab es nicht.
    Bei manchen Menschen fühlt man sich wie zu Hause, bei anderen wünscht man sich, man wäre es. Brauer zündete sich eine Zigarette an, worauf Frau Vogt stillschweigend die Terrassentür öffnete.
    »Ich verkneife mir das schon seit anderthalb Stunden«, flüsterte ich ihm zu, »hier wird nicht geraucht. Drücken Sie gefälligst den Glimmstengel wieder aus!«
    Suchend sah er sich um. »Wo denn?«
    »Weiß ich auch nicht. Aschenbecher stehen nirgends. Schmeißen Sie die Kippe einfach in den Garten!«
    Aber Frau Vogt hatte die Tür schon wieder geschlossen. Vorsichtig retirierte Brauer rückwärts, bis er an den Gummibaum stieß. Mit auf dem Rücken verschränkten Fingern bohrte er ein Loch in die Erde und versenkte das Corpus delicti im Blumentopf. »Und wie geht’s nun weiter?« fragte er leise. »Sehen Sie eine Möglichkeit, an die Flasche ranzukommen?«
    Die stand auf dem Tisch. Zugekorkt. »Keine Chance, Alex. Am besten beteiligten Sie sich noch ein bißchen an der gepflegten Unterhaltung, und dann sagen Sie einfach, Sie müßten Ihre Schnecken füttern. Jeder wird das bezweifeln, aber niemand wird Ihnen widersprechen.«
    »Gute Idee! Und wenn ich weg bin, haben die wenigstens wieder ein Gesprächsthema.« Angewidert blickte er zu den Anwesenden hinüber. »Eine Ansammlung komprimierter Stupidität! In einer Million Jahren

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