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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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litt Herr Obermüller, der um Mitternacht am Fuß einer Straßenlaterne schlafend aufgefunden worden war; Siedlungskoller bedeutete, daß Wittinger jeden zweiten Tag seiner Frau einen riesigen Präsentkorb ins Haus schicken ließ, selber aber seit einer Woche nicht mehr erschienen war, und unter Siedlungskoller fiel sicher auch die Angewohnheit der Damen Ruhland, jeden Abend ihre Fenster mit Zeitungspapier zu verhängen. Rolf meinte allerdings, letzteres könnte man schon als beginnenden Verfolgungswahn bezeichnen, aber er sollte lieber still sein. Immerhin hatte der Siedlungskoller ja nun auch
ihn
erwischt.
    Jupp und sein Adlatus hatten ihren Sperrmüll abgeladen und tranken Bier. Dann griffen sie zu Hacke und Spaten und hoben Löcher aus. Oben brüllte Sascha, weil Sven seinen Finger in der Schreibtischschublade eingeklemmt hatte, und als ich Erste Hilfe geleistet, die Holzwolle aus dem zerfledderten Teddy eingesammelt, die Scherben vom Alpenveilchentopf aufgehoben und das aufgeräufelte Wollknäuel wieder zusammengedreht hatte, konnte ich schon die ersten Ergebnisse von Jupps geräuschvollem Tun bewundern.
    Am Fuß der Außentreppe, direkt neben dem Windschutz, stak ein dicker Pfosten im Boden. Genau gegenüber ein zweiter, ein dritter befand sich dort, wo auf der anderen Seite die Windschutzmauer war. Parallel dazu nagelte Jupp Bretter an die Pfosten, so daß unser Eingang jetzt von beiden Seiten begrenzt war. Eine grob zusammengehämmerte Tür, kreuz und quer verstärkt durch verschieden langes Abfallholz, lehnte bereits an der Hausmauer. Der Lehrling schlug gerade die Türangeln an den rechten Pfosten.
    »Seid ihr denn verrückt geworden??«
    »Nö«, sagte Rolf, »das wird höchstens die Bauleitung!« Versuchsweise hängte er die Holztür ein. »Paßt!«
    Das Ding hing windschief in den Angeln, bewegte sich quietschend bei jedem Luftzug und erinnerte irgendwie an jene herzchenverzierten Bretterbuden, die man in sehr ländlichen Gegenden auch heute noch findet. Jupp schraubte einen Haken an die Tür, damit man sie auch von innen schließen konnte, und nun war der Eindruck eines Baubudenklosetts perfekt.
    Immerhin hatten wir jetzt zwei Türen – die richtige, und drei Meter davor das Provisorium.
    »Wir brauchen noch etwas zum Klopfen. An die Klingel kommt jetzt ja niemand mehr heran.« Rolf verschwand im Haus und tauchte mit dem hölzernen Fleischklopfer wieder auf. Mit einem Stück Wäscheleine band er ihn fest. Dann begutachtete er das Ganze. »Sieht großartig aus! Es muß bloß noch ein Schild hin, ›Bitte kräftig klopfen‹ oder so ähnlich. Das mache ich nachher noch.«
    Während die drei Handwerker ihr fertiges Bauwerk begossen, erschienen die ersten Neugierigen. Allen voran Obermüller.
    »Wat soll denn der Karnickelstall bedeuten? Is det ‘ne Veranda, oder wollt ihr hier bloß die Kohlen abladen? Als architektonische Verbesserung würde ick den Anbau aba nich bezeichnen. Is der überhaupt jenehmigt?«
    »Der steht nicht lange!« versicherte Rolf und schilderte seinen vergeblichen Kampf mit der Bauleitung um eine neue Tür, auf die wir nach den bisherigen Erfahrungen vermutlich noch im Frühjahr warten würden.
    »Wenn die aber am Wochenende ihren Volksauftrieb haben, muß dieser Bretterverschlag natürlich verschwunden sein. Jedem Besucher springt das Ding doch ins Auge. Für die nötigen Erklärungen werden schon Sven und Sascha sorgen. Außerdem spekuliere ich auf Michaels Informationsbedürfnis.«
    Das war aber gar nicht nötig. Schon am nächsten Tag erschien der Bauleiter und forderte die Beseitigung dieses »Schandflecks«. Rolf weigerte sich: »Solange es bei mir reinschneit, bleibt die Behelfstür stehen!«
    Der verzweifelte Baumensch drohte mit Polizei, Staatsanwalt und Gerichtsvollzieher, er versprach eine handgeschnitzte Eichentür, wahlweise auch eine mit schmiedeeisernen Beschlägen, machte Rolf für den Ruin der Baufirma und den daraus resultierenden Hungertod sämtlicher Angestellter verantwortlich, er bettelte, beschwor, drohte… es nützte alles nichts.
    »Erst die neue Tür, dann der Abbau!« verlangte Rolf.
    »Wo soll ich denn jetzt eine herkriegen?« jammerte der Parlamentär. »Das Werk ist in Ludwigshafen.«
    »Sie haben ja zwei Wochen lang Zeit gehabt, eine Tür zu besorgen«, sagte Rolf unbarmherzig. »In dieser Zeit hätte ich sie zu Fuß holen können. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, aber im Flur liegt schon wieder Schnee!« Nachdrücklich knallte er die

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