Radau im Reihenhaus
Arbeit wird immer gefragt sein – solange Ehemänner samstags zu Hause sind«, hatte er behauptet und irgendwo in der Nachbarschaft Asyl gesucht. Noch in der Haustür hatte er Sven ermahnt: »Merk dir eins, mein Sohn: Mach im Haus nie etwas, wozu du nicht für dein ganzes Leben verurteilt sein möchtest!«
Nachdem ich ihn endlich bei Brauer losgeeist hatte, weigerte er sich standhaft, seine turnusmäßige Aufgabe als Chauffeur zu übernehmen und mich nach Monlingen zu fahren.
»Wir haben aber nichts im Haus, und zu Fuß schaffe ich es nicht mehr!«
»Dann gehen wir morgen eben essen!« sagte der Gatte und blätterte in der Programmzeitschrift. (Die meisten Erfindungen haben den Menschen Zeit erspart. Dann kam das Fernsehen!)
»Warum bist du seit kurzem so großzügig?« wunderte ich mich, denn Rolf neigte neuerdings regelrecht zur Verschwendungssucht. Er hatte mir einen Teekessel gekauft, obwohl der alte nur ein ganz kleines Loch gehabt hatte, das man bestimmt noch hätte löten können; er hatte den Kindern anstandslos neue Garderobe bewilligt und sich zum erstenmal den sonst üblichen Hinweis auf seine eigene spartanische Jugend verkniffen, und er hatte nicht mal mein langes Telefongespräch nach Berlin beanstandet. Jetzt wollte er sogar ohne besonderen Anlaß mit uns essen gehen?
Irgend etwas stimmte da nicht. Mir war sowieso schon aufgefallen, daß er häufiger zu Hause und nur selten unterwegs war. Diese ungewohnte Anhänglichkeit hatte er allerdings mit den winterlichen Straßenverhältnissen begründet.
»Wir Menschen sollten uns an den Schneeflocken ein Beispiel nehmen. Nicht zwei von ihnen sind gleich, aber wie großartig halten sie zusammen, wenn es darauf ankommt – zum Beispiel den Verkehr lahmzulegen!«
Noch rätselhafter wurde die ganze Sache, als er mir jetzt vorschlug: »Warum machst du eigentlich nicht den Führerschein? Ich habe keine Lust, bis an mein Lebensende jeden Samstag Mehltüten und Blumenkohlköpfe nach Hause zu fahren. Andere Frauen erledigen ihre Wochenendeinkäufe ja auch selber.«
Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Rolf bot mir freiwillig an, Fahrstunden zu nehmen, nachdem er es jahrelang abgelehnt hatte, diesen Gedanken auch nur zu diskutieren. »Frau am Steuer!« knurrte er jedesmal, wenn irgendein Wagen ihn verkehrswidrig behinderte. Meistens hatte er ja recht, aber saß wirklich mal ein Mann hinterm Lenkrad, dann sagte er ungerührt: »Dem hat wahrscheinlich seine Mutter das Fahren beigebracht!«
Und nun sollte ich…? Als Frau? Unmöglich!
»Weißt du denn, was so ein Führerschein kostet?«
»Bei dir einen runden Tausender! Andere bezahlen sicher weniger«, bemerkte mein Gatte liebenswürdig.
»Und den willst du so einfach opfern?«
»Bevor ich dich auf Händen trage, setze ich dich lieber in ein Auto! Ich hoffe doch, daß du diese zeitgemäßere Form eines vor Jahren unüberlegt gegebenen Versprechens akzeptieren wirst.«
Männer haben überhaupt keinen Sinn für Romantik, aber es stimmt trotzdem nicht, daß wir Frauen angeblich ständig versuchen, unsere Männer umzukrempeln. Wir wollen sie lediglich zu dem machen, was sie von Anfang an zu sein vorgaben!
Lassen wir das Thema lieber.
Es stellte sich heraus, daß Rolfs Freigebigkeit nicht auf einen grundlegenden Charakterwandel zurückzuführen war, sondern auf Mariechens Laube. Diese Laube stand auf einem Grundstück, auf dem Rolfs Vater während der Nachkriegszeit Kartoffeln und Tomaten angebaut und das er dann irgendwann in jenen Jahren für den Gegenwert von drei Sack Roggen erworben hatte. Daß der Roggen zuvor gegen die geernteten Kartoffeln eingetauscht woren war, beweist, was man damals unter Autarkie zu verstehen hatte.
Nach der Währungsreform und dem beginnenden Wohlstand auch in Beamtenkreisen wurde das Grundstück nicht mehr beackert. Es lag ziemlich weit außerhalb der Stadt, und es wäre für eine höhere Beamtengattin auch nicht schicklich gewesen, mit einem Handwägelchen Kohlrabiknollen oder Kürbisse durch die Straßen zu ziehen. Nur im Sommer spazierte Omi gelegentlich auf die Parzelle und pflückte die wildwuchernde Kamille ab, weil sie der Ansicht war, selbstgezogener Tee sei gesünder als gekaufter. Zum Transport des Grünzeugs verwendete sie eine stabile Papiertüte mit dem Aufdruck eines bekannten Braunschweiger Modehauses.
Die Laube, in deren einer Hälfte früher die zwei Klappstühle eingeschlossen worden waren und der Ersatzkaffee vor sich hingebrodelt hatte – in der
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