Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
Marzipankartoffeln, die noch von Weihnachten übriggeblieben sind. Sie glauben gar nicht, wie ich mich auf eine Tasse richtig heißen Kaffee freue!«
    Sven wurde noch einmal losgeschickt, und bald saß Familie Heinze – nein, nicht am Kaffeetisch, sondern auf dem Boden vor den Heizkörpern. Dackel Conni lag darunter.
    Auch Herr Heinze hatte den Kampf mit dem Ofen bald aufgegeben und schon erwogen, die kommende Nacht in einem Hotel zu verbringen und darauf zu hoffen, daß sich morgen jemand finden würde, der im Umgang mit Holz und Kohlen einigermaßen geschult war. Natürlich bot ich meine Hilfe an, denn inzwischen konnte ich mich durchaus als Fachmann bezeichnen. Seit Tagen schon war Ofen nicht mehr ausgegangen, nicht mal am Sonntag, als ich verschlafen hatte. Den Salat mußten wir zwar ohne Öl essen, aber es war warm dabei gewesen, und Rolf hatte kaum gemeckert.
    Schade, daß er jetzt nicht da war. Herr Heinze hatte mir erzählt, daß er Leiter einer Düsseldorfer Werbeagentur sei, und als ich ihm sagte, daß er und Rolf Kollegen seien, war er gleich Feuer und Flamme.
    »Ich dachte schon, hier wohnen lauter Verrückte. Erst ist mir eine Frau über den Weg gelaufen, die hatte den Kopf voller Lockenwickler und an der Hand ein Kind mit vollen Hosen, dann kam ein Dr. Sowieso mit einer Whiskyflasche und drei Gläsern, aber wir hatten ja alle noch nichts gegessen, und schließlich klingelte eine grauhaarige Dame und fragte, ob wir einen Teller Suppe haben wollten. Das war ja wirklich nett von ihr, aber die Suppe… brrrh!«
    »Frau Straatmann ist Vegetarierin und kocht ihre Suppen auf der Grundlage von Olivenöl und Brennesseln«, erklärte ich. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen das Rezept geben.«
    »Wo kriegt sie denn mitten im Winter Brennesseln her?« staunte Hendrik.
    (Er hatte übrigens auf den Handkuß verzichtet und sich auch die »gnädige Frau« verkniffen, aber sicher nur deshalb, weil ich immer Hosen trug und nie so seriös aussah wie Frau Obermüller.)
    »Wahrscheinlich waren es getrocknete, und deshalb hat die Suppe beim Essen auch so geknirscht«, vermutete seine Mutter. »Aber das war ja gar nicht so schlimm. Viel entsetzlicher waren die Viecher, die dort überall herumstehen und einem auf den Teller starren. Wie kann ich in Ruhe essen, wenn hinter mir ein ausgestopfter Affe die Zähne fletscht? Stimmt es denn, daß die ein lebendes Krokodil in der Badewanne haben?«
    »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Dieser Michael. Übrigens ein sehr netter, hilfsbereiter Junge«, lobte Frau Heinze. »Kennen Sie ihn näher?«
    Während ich noch überlegte, ob ich sie über Michaels Hilfsbereitschaft aufklären sollte, mahnte ihr Mann zum Aufbruch. Auch gut, sollte sie lieber selbst dahinterkommen. Erfahrung ist etwas, was man zu haben meint, bis man mehr davon hat.
    Im Laufe der nächsten Tage entwickelte sich ein reger Verkehr zwischen unserem Haus und Nr. 8. Ich half mit Schraubenziehern, Büchsenmilch und Anmachholz aus, zeigte Heinzes, wie man den Ofen behandelt und die Mutter von Köbes, damit man frische Eier kriegt, und machte sie nach und nach mit den übrigen Bewohnern der Millionärssiedlung bekannt. Dafür genoß ich den Vorzug, ein paar Tage lang meine täglichen Einkäufe per Auto erledigen zu können, denn Herr Heinze hatte Urlaub genommen und stand jederzeit als Chauffeur zur Verfügung. Einmal fuhren wir sogar nach Düsseldorf, wo seine Frau einen neuen Staubsauger kaufte und ich ein Cocktailkleid, das Rolf später entsetzlich fand:
    »Entweder ist das Ding zu kurz, oder du bist nicht ganz drin!« Dann war die Woche herum, Herr Heinze reihte sich wie alle Männer morgens in die Bürorallye ein, und seine Frau mußte genau wie wir anderen den täglichen Fußmarsch nach Monlingen antreten.
    »Es wird Zeit, daß meine Tochter aus England zurückkommt«, stöhnte sie, »ich bin doch kein Lastesel!«
    Ich wußte gar nicht, daß sie eine hatte.
    »Hab’ ich Ihnen das nicht erzählt?« wunderte sie sich. »Patricia ist neunzehn und seit einem halben Jahr als Au-pair-Mädchen in London. Anfang März kommt sie zurück und mit ihr der Motorroller. Ich kann von Schätzchen schließlich nicht verlangen, daß er mir auch einen kauft.«
    Mich irritierte es ein bißchen, daß Herr und Frau Heinze sich nach 22-jähriger Ehe immer noch mit »Schätzchen« und »Liebchen« anredeten, sich gegenseitig Zettel mit neckischen Sprüchen unter den Frühstücksteller schoben und sich manchmal aufführten, als wären sie

Weitere Kostenlose Bücher