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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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anderen Hälfte hatten die beiden Hühner gesessen – hatte die Wirtschaftswunderzeit unbeschadet überdauert. Sie war solide wie eh und je.
    Kaum hatten die Nachkriegsdeutschen ihre Städte wieder aufgebaut, als sie schon versuchten, ihnen zu entrinnen. Auch in Braunschweig suchte man nach Bauland – erst östlich davon, dann weiter südlich, nur nach Norden wollte niemand. Omi pflückte also weiter Kamille und hoffte auf das Einsehen der Stadtplaner.
    Es dauerte lange, bis sich jemand für Mariechens Grundstück interessierte, und noch länger, bis sie herausfand, daß dort eine Straße gebaut werden sollte. Am längsten dauerte es, den Kaufpreis auszuhandeln, denn damit wurde ein Anwalt betraut, und der war prozentual am Erlös beteiligt. Außerdem war Mariechen der Ansicht, daß die Laube solide Handwerksarbeit und somit ein Wertobjekt sei. Das Wertobjekt mußte angemessen berechnet werden. Darüber vergingen noch mal ein paar Monate. Omi erntete zum letztenmal Kamille, nahm den Scheck in Empfang und schickte ihn Rolf mit der Bemerkung: »Bis ein Ehepaar sich wirklich Kinder leisten kann, hat es meist schon Enkel.«
    Nun konnte Rolf sich gelegentliche Faulheit leisten und ich mir sogar den Führerschein.
    Der Schulbank schon seit einigen Jahren entwachsen, radelte ich mit etwas gemischten Gefühlen zur ersten theoretischen Fahrstunde. Dort lernte ich als erstes, daß man am besten gar nicht Autofahren lernt, weil es gefährlich ist und man sowieso immer unrecht hat, wenn was passiert.
    »Es mag ja sein, daß es den Herstellern gelingt, die Autos unfallsicherer zu machen, aber es wird schwer sein, die Fußgänger umzukonstruieren«, sagte der muntere Herr vorne neben der Tafel.
    Solchermaßen moralisch aufgerüstet, bestieg ich am nächsten Tag zum erstenmal ein Auto auf der linken Seite. Mein Fahrlehrer war ein in Ehren ergrauter Fünfziger, der sich keinen Illusionen mehr hingab, was die geistige Kapazität von Fahrschülerinnen betraf. Mich schien er für besonders schwachsinnig zu halten, denn ich sollte ihm demonstrieren, ob ich links von rechts unterscheiden konnte und oben von unten. Ich konnte es. Nach der dritten Stunde konnte ich auch schon den Blinker richtig bedienen. Nach der fünften durfte ich bereits durch Monlingen fahren.
    Zu Beginn des Autozeitalters waren die Leute außer sich, wenn jemand mit einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern in der Stunde fuhr – heute sind sie es wieder. Mein Fahrlehrer (er hieß Mundlos, was nicht stimmte, denn er redete wie ein Buch, und war Junggeselle, was ich inzwischen begreiflich fand) dirigierte mich auf kürzestem Weg wieder in die Felder, wo er mir beizubringen versuchte, das Gaspedal nicht genauso zu behandeln wie ein Klavierpedal. Nach drei weiteren Übungsstunden hatte ich es begriffen. Wir wagten uns wieder in den Stadtverkehr.
    Jetzt sollte ich das Einparken lernen, und dabei stellte ich mir nicht zum erstenmal die Frage: Wo finden eigentlich die Leute, die für Autowerbung zuständig sind, bloß immer die leeren Straßen, auf denen sie die Reklamespots filmen? Wir fanden nie auch nur eine Parklücke, und so beschränkten sich die vorgesehenen Übungen lediglich auf ein Rückwärts-um-die-Ecke- Fahren. Das vorschriftsmäßige Einparken trainierte ich später mit Svens Matchbox-Autos. Es war ganz leicht.
    Auch auf die Präliminarien einer längeren Reise wurde ich gründlich vorbereitet.
    »Nehmen wir mal an, Sie müßten heute nach Frankfurt fahren. Was würden Sie zuallererst tun?«
    »Mich umziehen!«
    Herr Mundlos lächelte nachsichtig und warf einen drängenden Blick auf die Benzinuhr. »Sehen Sie sich doch mal das Armaturenbrett genau an!«
    Ich tat es und hatte die Erleuchtung: »Staubwischen!«
    Kurz nachdem sich die ersten Frühlingszeichen auf der Landstraße zeigten (»Achtung! Bauarbeiten!«), wurde ich zur Prüfung zugelassen. Auch der Prüfer war nicht mehr der Jüngste, dazu ein ausgesprochen väterlicher Typ. Großzügig übersah er, daß ich mich rechts einordnete und links abzubiegen versuchte.
    »Nu fahr’n Se man auch rechtsrum, is ja egal, wo wir ankommen!«
    Die hart attackierte Bordsteinkante entlockte ihm nur ein mißbilligendes »Tztztztz«, aber als ich plötzlich auf der Stoßstange meines Vordermannes saß, wurde er ausgesprochen ungemütlich.
    »Haben Sie denn den Wagen nicht gesehen?«
    »Doch, natürlich!«
    »Ja, und?«
    »Ich konnte doch nicht bremsen!«
    »Warum nicht?«
    »Wenn man bei Schneematsch bremst, rutscht

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