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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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»Schade, daß es keine Zensur für Mut gibt. Du hättest eine Eins dafür verdient, mit so etwas nach Hause zu kommen!«
    Dann sah er mich fragend an: »Von wem könnte er dieses geistige Manko haben?«
    »Ich weiß, von dir nicht! Du würdest nur an Vererbung glauben, wenn er lauter Zweier mitgebracht hätte.«
    Es gehört zweifellos zu den merkwürdigsten Gesetzmäßigkeiten der Vererbung, daß unerwünschte Eigenschaften immer vom anderen Elternteil stammen.
    Die Zweien hatte Karsten Vogt. Tagelang trug seine Mutter das Zeugnis ständig mit sich herum, um es allen Nachbarn zeigen zu können.
    »Klassenbester ist er, hat mir die Lehrerin gesagt«, verkündete sie stolz.
    »Ein Muttersöhnchen ist er!« knurrte Sven. »Hab’ ich dir eigentlich schon erzählt, daß er sein Pausenbrot immer auf eine Serviette legt, bevor er es auswickelt? Seine Mutter will das so. Er hat auch immer ein Stück Seife und ein eigenes Handtuch mit. Sogar Klopapier! Die ganze Klasse lacht über ihn, dabei kann er ja gar nichts dafür. Abschreiben läßt er auch keinen, weil das seine Mutter verboten hat. Die ist richtig hohl! Ein Glück, daß du ganz anders bist.«
    Mein Hochgefühl hielt nicht lange an. Quasi als I- Tüpfelchen fügte Sven hinzu: »Bloß in Mathe bist du eine richtige Niete!«

Zwölftes Kapitel
    »Was hältst du von einer richtig zünftigen Gartenparty?«
    Alex polierte sorgfältig jedes einzelne Messer und prüfte seinen Glanz, bevor er es auf den Tisch legte. Beim Abtrocknen stellte er sich recht geschickt an.
    Seit kurzem hatte er seine Morgenvisiten bei mir wieder aufgenommen – nunmehr von allen toleriert, denn wir kannten ihn inzwischen zur Genüge. Die obligatorische Whiskyflasche brachte er jetzt aber nicht mehr mit, vielmehr stellte er sie schon morgens in den Himbeerstrauch oben am Zaun und holte sie erst später nach einem verstohlenen Rundblick wieder heraus. Manchmal war sie nur halbvoll, aber er hatte sich daran gewöhnen müssen, allein zu trinken, und dieses Quantum genügte ihm bis zum Mittagessen. Wenn ich Kartoffeln schälte oder Fenster putzte, setzte er sich einfach irgendwo hin, notfalls auf den Kühlschrank oder auf die Treppenstufen und redete… redete… redete…
    Über die politische Lage, über Dattelpalmen, über Segeljachten, über Frauen, über Kindererziehung, über Kalbsgulasch mit Rahmsoße – es dürfte wohl kaum ein Thema geben, über das ich mir nicht Alex’ Meinung habe anhören müssen. Mitunter wechselte er sie auch von einem Tag zum anderen, hauptsächlich dann, wenn der Whisky alle und nur noch Gin im Haus war.
    Anfangs hatte ich seiner Frau angeboten, ihn rauszuwerfen, sobald er vor der Tür stand, aber sie schien ganz froh zu sein, daß sie ihn eine Weile los war.
    »Wenn er dir natürlich auf den Wecker fällt, dann ist das etwas anderes«, meinte sie nur.
    »Ich finde ihn eigentlich ganz amüsant.«
    »Das ist er ja auch! Jedenfalls bei anderen!«
    »Dann verrate mir doch mal, weshalb du ihn überhaupt geheiratet hast?«
    »Damals bin ich neunzehn gewesen und er vierunddreißig. Genügt das?«
    Doch, das genügte. Den Rest konnte ich mir selbst zusammenreimen. Welcher Neunzehnjährigen imponiert es nicht, von einem so viel älteren Mann umworben zu werden? Irgend etwas schien hier aber schiefgegangen zu sein, obwohl ich einfach nicht begreifen konnte, weshalb Alex seine bildhübsche, charmante Frau behandelte, als sei sie überhaupt nicht vorhanden. An ihrer Stelle hätte ich ihn längst vor die Tür gesetzt. -
    »Sehr begeistert bist du offenbar nicht von meiner Idee?« bohrte er nach.
    »Ich hab’ nicht richtig zugehört, entschuldige bitte! Welche Idee?«
    Er stärkte sich mit einem Schluck aus der Flasche. »Von einer Gartenparty habe ich gesprochen. So richtig schön nostalgisch mit Lampions, flotter Musik und hübschen Mädchen.«
    »Wo willst du die denn hernehmen? Außer deiner Frau und Patricia gibt es hier weit und breit nur Mittelalter bis Spätherbst.«
    Er grinste. »Frauen sind am bezauberndsten zwischen fünfunddreißig und vierzig, wenn sie schon ein bißchen Lebenserfahrung gesammelt haben und ihre Möglichkeiten kennen. Und da nur wenige Frauen älter als vierzig werden, kann diese Zeit der größten Reizentfaltung manchmal sehr lange dauern! – Aber mal im Ernst: Langsam versauert man hier. Die anderen sind ja doch zu träge oder zu dämlich, um etwas auf die Beine zu stellen, also müssen wir eben den Anfang machen. Der Rest zieht dann schon

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