Radegunde von Thueringen
gebunden.
Der Rothaarige zeigte auf Besas kurze Beinchen und krümmte sich vor Lachen, während der andere sie neugierig musterte. Besa zitterte wie Hafer im Wind, versuchte das aber mit aller Kraft zu verbergen. Schließlich begann der Behelmte, an ihrem Gewand zu zerren.
„Lass sie in Ruhe!“ Radegunde drückte sich vom Türrahmen ab und sprang ihn von hinten an. Dabei versuchte sie, an das kurze Messer zu gelangen, das er am Gürtel trug. Giso stürzte sich geistesgegenwärtig auf den anderen Krieger.
Es war ein ungleicher Kampf, drei Davids gegen zwei Goliaths. Die Franken hatten ihre Überraschung schnell überwunden, und mit einer geschwinden Bewegung überwältigte der Rothaarige den Schweinehirten und hielt ihn mit seinem Messer in Schach, der andere brachte ohne viel Mühe die beiden Frauen in seine Gewalt. Bertafrid saß noch immer in seiner Ecke und rührte sich nicht.
„Was machen wir mit ihnen?“
„Die Zwergin nehme ich mit nach Hause, meine Kinder werden Spaß an ihr haben.“
Der Behelmte musterte Radegunde unverschämt. „Keine schlechte Idee. Ich glaube, …“
Vor dem Speicher näherten sich Hufschläge. Rufe wurden laut, jemand hatte die herrenlosen Pferde entdeckt.
„Chlothar!“, stieß der Rothaarige erschrocken hervor. Mit dem jungen Schweinehirten am Schlafittchen ging er zur Tür und rief etwas hinaus.
Unter Gepolter sprangen mehrere Männer auf das hölzerne Podest. Ein Krieger betrat den Raum, bei dessen Anblick die Franken in die Knie gingen und die Köpfe senkten.
Radegunde sah ihn erstaunt an. Er war groß und breitschultrig, was durch überzogene Lederstreifen auf den Schultern noch hervorgehoben wurde. Blonde Locken drangen unter dem Helm hervor und fielen ihm bis über die Schultern, allerdings starrten sie von Schweiß und Schmutz. Besonders auffallend an ihm war ein tiefblauer Mantel, auf den in feiner Handarbeit Dutzende von goldenen Bienen gestickt waren. Er schlug ihn lässig zurück, so dass sein Schwertgriff zu sehen war. Sein Gesicht unter dem kurz geschnittenen Bart wirkte grau und trug noch deutlich die Zeichen der Schlacht. Stechend blaue Augen musterten die beiden Jungen mit mäßigem Interesse, glitten amüsiert über Besas verwachsene Gestalt und blieben an Radegundes Gesicht hängen. Eine seiner hellen Augenbrauen glitt nach oben, als sie den Blick ohne Scheu erwiderte.
Der Frankenkrieger stieß sie in die Seite und bedeutete ihr, sich zu verbeugen. „Das ist Chlothar, der König der Franken!“ Sein starker fränkischer Dialekt war schwer zu verstehen.
Sie beugte die Knie. „Ich grüße den König der Franken!“
Chlothar antwortete nicht und rief einen Befehl über die Schulter, den sie nicht verstand. Ein geduckter Mann in vertrauter Kleidung, die ihm nur noch in Fetzen vom Körper hing, betrat unverzüglich den Raum. Er blutete aus einem Messerschnitt am Hals und wagte kaum, den Kopf zu heben. Sie stöhnte hörbar auf und schlug die Hand vor den Mund. Es war Gorrik.
Sein verschlagenes Gesicht hellte sich deutlich auf, als er sie erblickte.
„Herr, das ist sie! Ich habe es Euch doch gesagt. Sie musste noch hier sein!“ Seine Stimme überschlug sich vor Eifer.
Chlothar musterte Radegunde noch einmal genauer. Aufgelöste Zöpfe rahmten ihr rußverschmiertes Gesicht ein, Arme und Hände waren von blutigen Schrammen überzogen. Das wollene Gewand starrte vor Schlamm und war an einigen Stellen zerrissen. Lediglich die goldene Fibel zeugte noch von ihrer Herkunft.
„Das ist Bertachars Tochter?“
„Ja, ja, Herr! Und sein Sohn. Dort hinten, seht!“ Gorrik deutete auf Bertafrid.
Chlothar lächelte zufrieden. „Dann hat sich unser Ausflug in die Höhle des Löwen ja doch noch gelohnt. Bindet sie und bringt sie ins Lager!“
„Alle?“, fragte der Rothaarige und musterte Besa begehrlich.
Chlothar zögerte. Sein Blick blieb erneut an Radegunde hängen, die ihn flehend ansah und unmerklich nickte.
„Ja, von mir aus alle.“ Er zog den Mantel zu und trat aus der Hütte.
Enttäuscht griff der Krieger unsanft nach Besa und zerrte ihr die Arme auf den Rücken. Sie schrie erschrocken auf. Plötzlich wurde es wieder dunkel im Raum. Chlothar stand in der Türöffnung. Seine Augen waren schmal.
„Die Gefangenen sind mein Eigentum, vergiss das niemals! Hast du verstanden?“
Der Rothaarige erstarrte in einer tiefen Verbeugung. „Ja, mein König.“
Fast behutsam band er daraufhin den Gefangenen die Seile um die Handgelenke. Zum Schluss zog er
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