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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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keuchte. Besa erwachte sofort und setzte sich auf.
    „Was ist?“
    „Wir müssen ihr helfen!“
    „Wie stellst du dir das vor? Wir werden hier bewacht wie der Königshort selbst. Zwei Krieger stehen vor dem Zelt.“
    „Wir versuchen, hinten herauszukriechen.“
    „Und dann? Willst du dich unsichtbar machen? Wenn du dem ersten Krieger über den Weg läufst, ereilt dich das gleiche Schicksal wie die Hunnenfrau.“ Ihre Stimme klang plötzlich kalt. „Außerdem hat sie es jetzt hinter sich und du kannst es nicht mehr ungeschehen machen.“
    „Wie kannst du nur so herzlos sein! Hast du denn gar kein Mitgefühl?“ Sie glaubte, Besa nicht wiederzuerkennen.
    „Mitgefühl würde ihr nicht helfen. Wenn sie es überlebt hat, muss sie allein damit fertig werden. Dazu braucht es Zeit. Das ist alles.“ Besa drehte sich zur Zeltwand.
    Draußen wurden Stimmen laut. Giso fuhr aus dem Schlaf auf. Das Tuch vom Zelteingang wurde zurückgeschlagen. Ein Wächter bedeutete ihnen, aufzustehen und ihm zu folgen. Sie nahm den schlafenden Bertafrid auf den Arm und stolperte in die Nacht hinaus. Die kühle Luft roch nach Rauch und Gewalt. Über der Hölzernen Burg jenseits der Unstrut hing flackernder Feuerschein.
    Das Lager war noch immer nicht zur Ruhe gekommen, obwohl der Sternenhimmel am östlichen Horizont bereits verblasste. Der Wächter führte sie nicht weit, nur wenige Schritte entfernt glühten Reste eines großen Feuers auf einem zentralen Platz. Dahinter erhob sich ein hell erleuchtetes pompöses Zelt. Dutzende Öllampen verbreiteten im Inneren rußiges Licht und stickige Wärme. Es roch nach Schweiß und schlecht vergärtem Wein.
    Um die beiden Zeltstangen herum, die den fest gewebten Stoff der Behausung stützten, stapelten sich Truhen und Körbe. Einige waren mit Schmuck und anderen Wertgegenständen gefüllt, die meisten jedoch leer. Gegenüber dem Eingang häuften sich hochwertige Felle und Lederbahnen. Kunstfertig geschmiedete Schwerter und Langmesser, teilweise noch blutbesudelt, waren in wilder Unordnung auf einen Haufen geworfen worden.
    An einem derben hölzernen Tisch standen zwei Männer über Schriftstücke gebeugt, einen davon erkannte Radegunde sofort wieder: Chlothar.
    Er steckte noch immer in den schmutzigen Gewändern, und als er sich jetzt umwandte, wirkte er gereizt und müde. Nach einem knurrenden Laut vom Wächter verbeugten sich die drei Gefangenen.
    Als sie wieder aufsah, traf ihr Blick den des anderen Mannes. Er hatte die hellen Augen wie Chlothar, doch war ihr Ausdruck gereifter. Sein Gesicht war runder, sein graues Haar bereits schütter. Er war größer und fülliger als Chlothar und trug Beinkleider aus weichem Leder sowie einen hellen Rock aus fein gewebtem Stoff.
    Was sie jedoch am meisten in Erstaunen versetzte, war sein freundliches Lächeln. Er kam ihr entgegen, reichte ihr seine Hand und zog sie zu sich herüber. Dabei redete er in väterlichem Ton halblaut auf sie ein, sprach jedoch in seinem fränkischen Dialekt so schnell, dass sie lediglich „Prinzessin“ verstand.
    Chlothar beobachtete ihn belustigt und hob schließlich seine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Lass mich die Fragen stellen!“
    „Wie ist dein Name?“, fragte er langsam und deutlich.
    Sie nannte ihn.
    „Wer ist dein Vater?“
    „Mein Vater war Bertachar, der König von Thüringen.“ Sie setzte Bertafrid ab, der erwacht war und sich ängstlich umsah. Er drängte sich an ihr Bein und sie strich ihm beruhigend über den Kopf.
    „Ist das dein Bruder?“ Der ältere Mann, der bisher nur interessiert zugehört hatte, stellte die nächste Frage. Er sprach jetzt ebenfalls betont langsam.
    „Ja, das ist Bertafrid. Doch wer seid Ihr?“ Ihre Stimme klang fester.
    Der Mann lächelte erstaunt. „Verzeih, ich bin es gewohnt, dass man mich kennt. Theuderich, Erstgeborener Chlodwigs, des großen Königs der Franken!“
    Er betonte den „Erstgeborenen“ und sie sah, wie Chlothar verächtlich die Mundwinkel nach unten zog. Sie nickte. Amalaberga war eine gute Lehrerin gewesen. So wusste sie Bescheid über die vier Söhne des mächtigen alten Frankenkönigs, die sein Reich unter sich aufgeteilt hatten. Theuderich wurde als Sohn einer Konkubine Chlodwigs geboren, war jedoch seinen jüngeren Brüdern gegenüber völlig gleichberechtigt. Er herrschte über das Rheinland, das fränkische Alamannien und ein Gebiet nördlich des Burgunderreiches. Er musste das fünfzigste Jahr bereits erreicht haben, sein ältester Sohn

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