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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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wie der Narbengesichtige schimpfte: „Was bildet der sich ein! Sollte lieber mit zufassen. Als ob wir hier Prinzessinnen verbergen!“ Die anderen Männer lachten.
    Sie beschloss, zur Zisterne zurückzulaufen. An der vereinbarten Stelle sah sie weder die Zwergin noch ihren Bruder und erschrak. Nach kurzer Zeit entdeckte sie die beiden beim Verteilen der Eimer, wo sie gerade die letzten beiden Gefäße an zwei Frauen ausgaben.
    „Die Eimer sind alle!“, stellte Bertafrid mit hochrotem Gesicht fest.
    „Wir könnten Tonkrüge benutzen oder Häute aus Leder“, grübelte Besa laut.
    Radegunde schüttelte den Kopf. „Häute gibt es nicht mehr, die liegen alle auf dem Getreidelager!“ Dann erzählte sie von Gorrik.
    Besa nickte. „Er war auch hier, aber ich habe ihn rechtzeitig kommen sehen. Wir konnten uns hinter der Zisterne verbergen. Dann ist er in Richtung Haupttor davongeschlichen.“
    Ein krachendes Bersten von Holz ließ sie zusammenzucken. Das Johlen aus Tausenden von Männerkehlen übertönte das Prasseln der Flammen und das Geschrei der Frauen in der Eimerkette. Im Tumult der Feuerbekämpfung hatte niemand mehr auf die Schlachtgeräusche unter den Wällen geachtet. Sie wandten sich um und sahen gerade noch, wie das Haupttor fiel.
    Langsam, als wehre sich das Holz gegen diese Demütigung, senkte sich der mächtige Verbund aus groben Baumstämmen zu Boden. Er gab den Blick frei auf etwas, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie stolperte einen Schritt zurück, Bertafrid umklammerte ihre Beine. Durch die Öffnung quollen breitbrüstige Pferde mit fremdartigen Reitern, die sich mit wildem Geschrei auf ihre ersten Opfer stürzten. Sie sah derbe Lederwämser über eisernen Brustschilden. Unter spitz zulaufenden Helmen starrten Blicke aus wutentstellten Gesichtern. Mit Lanzen und Schwertern begannen die Eindringlinge ihr grausiges Werk.
    In wilder Angst flohen alle, die innerhalb der Hölzernen Burg in der Falle saßen. Doch wohin? Es gab eine kleine Schlupfpforte am anderen Ende der Wallanlage, dorthin wandten sich die Menschen in ihrer Angst. Keine Zeit mehr zum Nachdenken, kein planvolles Überlegen, nur weg von diesen furchtbaren Reitern. Frauen und Männer hasteten zur rettenden Pforte, schon fielen die Ersten, wurden überrannt, versuchten vergebens, wieder auf die Beine zu kommen.
    Sie hatte Bertafrid auf den Rücken genommen, er klammerte sich an ihrem Hals fest und drückte ihr die Luft ab. Sie zerrte vergebens an seinen Armen, er hielt nur noch fester, dabei schluchzte er laut. Wie durch ein Wunder hielt sich Besa eisern an ihrer Seite, obwohl sie nur halb so groß wie die meisten Menschen in dem flüchtenden Strom war.
Plötzlich gab es vorn einen entsetzlichen Aufschrei aus vielen Kehlen, und gleich darauf stockte die Menge.
    „Sie kommen durch die Schlupfpforte!“, schrie jemand.
    „Lauft um euer Leben!“
    Die meisten drehten sich abrupt um, doch eine dichte Wand aus Pferdeleibern näherte sich unerbittlich von hinten.
    „Zur Seite weg! Besa! Wir versuchen es bei den Getreidespeichern!“ Mühsam schoben sie sich Schritt für Schritt seitlich aus der schreienden und wogenden Menschenmenge heraus. Der erste Speicher brannte bereits trotz der schützenden Felle auf dem Dach. Der zweite lag abseits und sah verlassen aus. Sie schob ihren Bruder auf das Podest und zur Tür hinein. Dann half sie Besa hinauf.
    „Vergrabt euch in der Hirse, schnell!“
    „Und du?“ Besa blickte besorgt, und Bertafrid begann lauter zu weinen.
    „Ich komme sofort nach, los, beeilt euch!“ Damit lief sie hinaus und sah sich um. Sie wollte auf das Dach, um ein paar Häute zu holen, doch die einzige Leiter, die sie erblicken konnte, stand am vorderen Speicher und brannte lichterloh. Sie versuchte, im Flechtwerk der Wände zu klettern, aber das weit überstehende Dach verhinderte ein Weiterkommen.
    „Gib mir deine Hand!“, ertönte plötzlich eine Stimme von oben. Ein kräftiger Arm schob sich über den Rand des Schilfdaches. Sie zögerte nicht und packte zu. Die scharfen Enden der Schilfrohre zerschnitten ihr die Haut, als er sie nach oben zog. Sie blickte in zwei helle Augen über einer Unzahl von Sommersprossen, die triumphierend unter dem Staub und Schmutz eines Gesichtes hervorblitzten, das ihr bekannt vorkam. Blitzschnell drückte er sie auf das steile Dach herunter und zog ihr ein Fell über den Körper.
    „Halt dich am First fest und beweg dich nicht, sonst haben sie uns!“
    „Wer bist du? Ich

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