Radegunde von Thueringen
warum alle Zeugen des Versteckes getötet werden müssen.“
„Ein schlauer Mensch, dieser Germar!“ Er wandte sich an den Wächter, der am Zelteingang bereitstand: „Lass ihn suchen!“
Radegunde stöhnte auf. „Ich bitte Euch, glaubt mir! Er weiß wirklich nichts!“
Chlothar trat erneut dicht an sie heran. Seine wasserhellen Augen sahen gefährlich glitzernd auf sie herab. „Wie viele Sommer zählst du, Prinzessin?“
Radegunde bog ihren Kopf zurück, soweit es ging, doch bald spürte sie die Zeltstange hinter sich und konnte nicht weiter ausweichen.
„Dreizehn“, sagte sie gepresst.
Chlothar griff nach ihren Brüsten und befühlte sie grob. Es tat sehr weh, doch die Demütigung stellte den Schmerz in den Schatten.
Giso bewegte sich erneut, doch Chlothars Hand am Schwertgriff ließ ihn innehalten.
„Sprich lauter, Prinzessin!“ Radegunde antwortete, wie er es wünschte, dabei stürzten ihr die Tränen aus den Augen.
Chlothar befingerte die goldene Fibel, die mit Mühe ihren zerrissenen Umhang zusammenhielt.
Theuderich stand plötzlich neben ihm. „Lass sie los!“
„Oho, ist ja schon gut! Es ist noch alles dran am Prinzesschen. Hübsche Fibel, die sie da trägt. Solide Arbeit. Da kann man sich denken, wie es um den Hort bestellt ist … “ Er versetzte der Zeltstange einen Fausthieb. „Doch vorläufig muss ich mich wohl mit dem Prinzesschen trösten.“
Theuderich schob sich vor Radegunde. „Sie steht mir genauso zu wie dir!“ Es klang gar nicht mehr versöhnlich.
„Wie schön, dass du mich daran erinnerst! Am besten, wir klären diese Sache jetzt gleich.“ Chlothars Hand fuhr zum Schwert. „Komm, lass uns kämpfen!“
Theuderich wich zurück. „Du Narr! Du riskierst dein Leben oder meines wegen einer Dreizehnjährigen?“
„Dieses Mädchen sichert mir den Anspruch auf Thüringen! Immerhin ist sie die Tochter eines Thüringerkönigs!“
„Ja, eines toten Königs! Während der rechte König lebt und irgendwo im Hinterland schon gegen uns aufrüstet! Bruder, wach auf! Lass uns lieber einen Kontrakt aufsetzen, der unsere Ansprüche regelt.“
Chlothar lachte spöttisch und ließ den Mantel über den Schwertgriff fallen. „Du hast Recht, wir werden mit der Feder kämpfen.“ Er rief nach seinem Schreiber.
„Was denkst du – ist das gerecht: einer die Prinzessin und einer das Reich?“, fragte er seinen Bruder mit Sarkasmus in der Stimme.
Theuderich antwortete nicht.
Der Schreiber trat ein. Mit verquollenen Augen verbeugte er sich und trat an den Tisch. Auf seiner rechten Wange sah man noch die Abdrücke seines Schlaflagers.
Chlothar ließ ihm kaum Zeit, die Feder zu spitzen und das Tintenhorn zu öffnen.
„Schreib: Am zweiten Tage des Erntemonats Oktober im 20. Jahre unserer Macht, am Tage nach dem Sieg der Frankenkönige Chlothar und Theuderich über die Thüringer, beschließen eben genannte Könige folgende Teilung der Kriegsbeute: …“
Er wirbelte herum. „Was möchtest du? Reich oder Frau?“
Theuderich überlegte nicht lange. „Die Prinzessin!“
„Pech gehabt! Ich auch!“ Chlothar schnaubte. „Wir werden losen müssen.“ Er fasste nach einem halblangen Stock, der beim Holzvorrat lag. Er brach ihn in zwei verschieden lange Teile, legte beide Enden aneinander, sodass Theuderich die Länge nicht einschätzen konnte, und hielt ihm das ungleiche Pärchen entgegen. „Zieh!“
Radegunde dachte kurz daran, zu beten, doch sie wusste nicht, welcher Gott der richtige war für diese Art von Bitte. Sollte sie Wodan bitten oder Freya oder den neuen Gott der Christen? Keiner von all den Göttern hatte ihr bisher Glück gebracht.
Theuderich zog. Sie sollte Recht behalten, die Götter hatten sie vergessen. Chlothars Hand öffnete sich mit dem längeren Stück Holz.
Theuderich sah sie bedauernd an. Besa griff nach dem Stein an ihrer Halskette. „Schreib weiter!“, fuhr Chlothar den müden Schreiber an. „König Chlothar erhält die Prinzessin Radegunde und ihr Gefolge.“ In das letzte Wort legte er eine deutliche Prise Spott.
„König Theuderich verfügt über das Thüringer Reich in seinen Grenzen und mit allen notwendigen Rechten.“
Er dachte angestrengt nach. „Die Teilung des Königshortes erfolgt gesondert“, ergänzte er schließlich und murmelte: „Falls der irgendwann auftaucht!“
Chlothar beugte sich über das Dokument und riss dem Schreiber die Feder aus der Hand. „Unterschreib!“, forderte er seinen Bruder auf.
Der Wärter betrat das Zelt
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