Radegunde von Thueringen
Theudebert war erwachsen und als Feldherr ebenfalls gefürchtet.
„Wie alt ist dein Bruder?“ Theuderichs Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Dies ist sein fünfter Sommer.“
„Wen hast du da bei dir?“ Chlothar zeigte auf Besa und Giso.
„Meine Dienerin und den Diener meines Bruders.“ Die Lüge, mit der sie hoffte, Giso zu retten, ging ihr leicht über die Lippen. Inzwischen ahnten sie alle, dass diese Befragung über ihr Schicksal entscheiden würde.
„Was weißt du über den Königshort?“ Diese Frage brannte ihm auf dem Herzen, das konnte sie spüren.
„Nichts.“
„Nichts?“ Chlothar stand plötzlich dicht vor ihr und sie spürte seinen weindunstigen Atem auf ihrem Gesicht. Sie trat einen Schritt zurück.
„Antworte!“, brüllte er, und als Theuderich etwas einwerfen wollte, schnitt er ihm das Wort ab.
„Sie weiß etwas, die kleine Hermundurenhure, und ich werde es herausfinden!“ Er drehte sich zu ihr um und brüllte erneut: „Wo habt ihr den Schatz versteckt?“
Speicheltropfen trafen Radegundes Gesicht und sie schloss angewidert die Augen. So sah sie seine Hand nicht kommen, und der Schlag traf sie völlig unvorbereitet. Seine Wucht schleuderte sie zusammen mit Bertafrid, der sich an ihrem Bein festklammerte, zwischen die Körbe mit der Kriegsbeute.
Giso wollte hinzuspringen, um ihr zu helfen, doch der Wächter vertrat ihm den Weg. Besa stand vor Schreck erstarrt da.
Theuderich fasste seinen Bruder an der Schulter. „Wenn du ihr Angst machst, wirst du nichts erreichen! Versuch es im Guten!“
Chlothar schüttelte die Hand ab. „Im Guten? Hast du gesehen, was das bei diesem verfluchten Schatzmeister gebracht hat? Die höchsten Ämter habe ich ihm versprochen, doch er wusste angeblich nicht, wo der teure Herminafrid den Schatz versteckt hat!“ Er spuckte auf den Boden und griff nach dem Trinkhorn.
Radegunde kauerte zwischen goldenen Kelchen, Fibeln und Armreifen und wiegte Bertafrid im Arm. „Schsch, sei stark, kleiner Bruder. Nicht weinen!“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Theuderich versuchte weiter, Chlothar zu besänftigen. „Aber mit deiner Peitsche hast du genauso wenig erreicht, oder? Glaubst du wirklich, er hätte die Schmerzen nicht gegen den Hort getauscht? So heldenhaft kam er mir nicht vor.“
„Er ist ein Wurm!“, fauchte Chlothar.
„Immerhin hat er uns das Tor geöffnet!“, entgegnete sein Bruder sarkastisch.
„Also gut.“ Chlothar schnaufte und trat auf Radegunde zu. „Komm her, Mädchen. Hab keine Angst.“ Er fasste sie am Arm und zog sie auf die Beine. „Wenn du mir sagst, wohin Herminafrid seinen Schatz gebracht hat, oder auch, wohin der verfluchte Bastard selbst spurlos verschwunden ist, passiert dir nichts.“
„Na, was ist nun?“, knurrte er ungeduldig, als Radegunde schwieg. Sein Blick wanderte vielsagend zu Bertafrid. „Vielleicht weiß der Kleine mehr?“
„Er weiß genauso wenig wie wir alle!“, platzte Radegunde heraus. „Sie haben den Schatz vor ein paar Tagen vom Königshof weggebracht. Wir alle dachten, er wird in der Hölzernen Burg gelagert, doch dort ist er nie angekommen. Die Krieger der Begleitmannschaft sind mit dem Schatz verschwunden. Germar sagt, sie wurden umgebracht! Nur der König und sein Sohn wissen, wo der Schatz liegt!“ Sie schwieg atemlos.
Chlothar hieb mit der Faust auf den Tisch. „Der Teufel hole diesen verfluchten Herminafrid! Wir haben sein Heer plattgemacht und reiten ohne das Gold nach Hause! Wie soll ich das meinen Leuten erklären?“
„Immerhin haben wir das Reich! Wir versprechen den Männern Land oder Sklaven, Beute können sie doch auch noch unterwegs machen.“ Theuderich schien geübt darin, seinen Bruder zu besänftigen, unermüdlich fuhr er seine Argumente auf.
„Ohne Königsschatz ist der Anspruch auf das Reich nichts wert, das weißt du selbst! Vor allem, wenn die Königsfamilie noch am Leben ist und irgendwo umherschwirrt!“ Er wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Und hast du mal an uns gedacht? Womit reiten wir nach Hause? Mit einer Fuhre Thüringer Dreck, oder was?“
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er drehte sich zu Radegunde um.
„Wer ist dieser Görmar oder wie du ihn nanntest?“ Seine Stimme hatte wieder etwas Lauerndes.
Radegunde schalt sich im Stillen eine dumme Kuh. Warum hatte sie den Namen erwähnt?
„Germar ist … nein, er war der Hauptmann am Königshof meines Vaters. Er hatte unter König Herminafrid kein derartiges Amt mehr. Er hat mir erklärt,
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