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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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Tränen sind versiegt. Teurer Vetter, kümmert dich mein Gram? Ich werde warten in der Gewissheit, dass du verhindern wirst, was nicht sein darf.
    In Liebe Radegunde
    Der Sturm jagt dunkle Wolken über den Himmel. Regentropfen fallen auf ihr Gesicht. Sie sind warm und schmecken metallisch. Ihre Hände halten das Bündel Briefe, sie muss endlich einen Boten finden! Ein schwarzes Ross galoppiert auf den Hof, seine Hufschläge werden vom jaulenden Wind übertönt. Sie steht vorm Haupthaus, der Wind zerrt an ihrem Gewand. Das Pferd hält direkt auf sie zu. Sie will ins Haus, aber ihre Füße gehorchen ihr nicht. Jetzt sieht sie den Reiter, er trägt einen weiten blauen Mantel, der sich um ihn bauscht wie ein Zelt.
    „Radegunde!“ Bertafrid ruft nach ihr. Doch sie kann sich nicht bewegen. Wie versteinert sieht sie dem Reiter entgegen, der das Tempo nicht drosselt. Schon streckt er seinen Arm aus, greift nach den Briefen.
    Durch das Tor prescht plötzlich noch ein Pferd, ein weißer Hengst mit einem Reiter, dessen kastanienfarbenes Haar wie ein Schleier um seinen Kopf weht. Er spornt sein Pferd und lässt ihm die Zügel, doch er kommt nicht näher.
    „Amalafrid!“
    „Radegunde!“ Jemand rüttelte an ihrer Schulter.
    Sie fuhr auf.
    „Du hast wieder geträumt!“, murmelte Bertafrid vorwurfsvoll. Er rollte sich zur Seite.
    Sie starrte mit offenen Augen in die Dunkelheit.
    Nach dem Morgengebet blieb sie in der Kapelle sitzen.
    Bischof Athalbert runzelte die Stirn. „Radegunde, was gibt es?“
    „Ich möchte wissen, wie ich Gott davon überzeugen kann, dass er mir helfen muss!“
    Der Bischof schwieg eine Weile. Die Antwort fiel ihm nicht leicht. „Nun ja, erzwingen lässt sich Gottes Hilfe nicht, das weißt du selbst. Ich kann dir nur raten, ein gottgefälliges Leben zu führen. Bete und tue Buße. Bereue deine Sünden, lebe nach den Geboten des Herrn.“
    „Das tue ich doch alles schon!“
    „So? Bist du sicher? Ist es nicht allein schon selbstgefällig, dies zu glauben?“ Streng blickte der Bischof auf sie hinab.
    „Was kann ich noch tun? Bitte helft mir!“ Sie flehte fast.
    Mitleid regte sich in dem Mann. Er überlegte, welche Aufgabe sich für eine künftige Königin ziemen würde. „Wie sieht es aus mit deiner Nächstenliebe? Du hast doch von den vier Waisenkindern gehört, die einfach ausgesetzt werden sollen. Du könntest dich um sie kümmern!“
    Warum war sie nicht selbst darauf gekommen? Sie war so sehr mit ihrem eigenen Schicksal beschäftigt gewesen, dass sie die Kinder der Kuhmagd völlig vergessen hatte.
    „Danke, Bischof!“ Damit lief sie hinaus.
    Nach dem Unterricht, der ihr heute sehr lange vorgekommen war, erbat sie von Sebila die Erlaubnis, zu den Mägdehütten zu gehen.
    „Nein, Radegunde! Der König hat streng verboten, dass du den Wirtschaftshof betrittst!“
    „Aber die Hütten liegen außerhalb des Hofes!“, bettelte sie.
    Sebila lachte, blickte aber gleich wieder streng. „Du weißt genau, dass das Verbot für solche Gegenden erst recht gilt. Es gehört sich nicht für eine angehende …“
    „Ja, ja, ich weiß! Aber Bischof Athalbert meint, ich solle mich in Nächstenliebe üben und mich um die Waisenkinder kümmern.“
    Sebilas Meinung geriet ins Wanken. Wenn der Bischof es angeordnet hatte …
    „Als künftige Königin muss ich mit solchen Aufgaben zurechtkommen!“, hakte sie nach, obwohl es ihr schwerfiel, diesen verhassten Gedanken auszusprechen.
    „Also gut! Aber du nimmst Besa und Agnes mit und von mir aus noch einen Knecht, hörst du? Und zum Abendgebet seid ihr pünktlich …!“
    Radegunde war schon zur Tür hinaus.
    Die Mägdehütten lagen vor den Toren der Villa. Die ärmlichen kleinen Katen aus Lehm waren ein bis zwei Fuß tief in die Erde eingelassen und duckten sich unter niedrigen Strohdächern. Eine Handvoll zerzauster Hühner kratzte im Gras zwischen den Hütten. Ein halbwüchsiger Junge kam mit zwei Holzeimern voll Wasser vom Bach.
    „Wo finden wir die Kinder der verstorbenen Magd?“, fragte ihn Besa.
    Er ließ die Eimer fallen und rannte davon.
    „Was hat er?“
    „Er glaubt, wir wollen die Kinder fortbringen“, antwortete Agnes. „Wir sollten den Knecht vorschicken, er kennt die Leute hier.“
    „Ich kenne die Gänsemagd auch!“, warf Besa ein.
    „Aber ihm werden sie eher glauben.“
    Sie erklärten dem Knecht ihr Anliegen, die Kinder nur sehen zu wollen. Dann warteten sie. Nach einer Weile trat der Mann wieder aus der Hütte, in der auch der

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