Radegunde von Thueringen
seiner halbherzigen Anschläge fehl, schleicht er zu ihm und bettelt um Vergebung!“
„Was glaubt Ihr, wird er tun?“, fragte Bischof Athalbert ruhig.
„Theudebert? Das kann ich Euch sagen: Er wird sich Theuderichs Gebiete unter den Nagel reißen und die von Childebert noch dazu, wo der doch jetzt sein neuer Vater ist!“
„Er wird auch Ansprüche auf Burgund anmelden, denn seine Kriegszüge dort unten waren sehr erfolgreich!“, warf Chramn zwischen zwei Bissen ein.
„Was ist mit Thüringen?“, fragte der Bischof mit einem schnellen Seitenblick auf Radegunde, die an seiner Seite saß.
„Das soll er nur wagen!“, donnerte Chlothar. „Wenn er Thüringen beansprucht, überspannt er den Bogen bei Weitem. Doch diesen Gedanken werde ich ihm austreiben. Ich weiß auch schon, wie.“
Sein Blick fiel auf Radegunde, und ein überlegenes Lächeln kroch in seinen hellen Bart. „Nicht umsonst habe ich vor drei Jahren ein wenig vorausgedacht. Mein Anspruch auf Thüringen sitzt neben Euch, Bischof!“
Aller Augen richteten sich auf Radegunde. Sie fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Während sie hoffte, der Bischof möge schweigen oder das Gespräch auf ein anderes Thema lenken, bohrte Athalbert ungerührt weiter.
„Mit einer gefangenen Königstochter ist Euer Anspruch keineswegs größer als der Eures Neffen, der das Thüringer Reich von seinem Vater erbt.“
„Das nicht, aber wenn die Königstochter meine Frau wird, dann sieht es schon anders aus, nicht wahr?“
Sie zuckte zusammen, der Bischof nickte ergeben.
Chramn musterte sie mit unverschämten Blicken und griff nach einer Feige. „Aber Vater, Ihr seid verheiratet! Gebt sie mir zur Frau!“
„Das könnte dir so passen! Damit du mir bei der nächsten Gelegenheit in den Rücken fällst? Ich brauche Thüringen dringend! Die Feldzüge gegen die Burgunder kosten mich ein Vermögen.“
Sie begann zu zittern, sie wusste nicht, ob vor Wut oder Unbehagen. So musste sich eine Sklavin vor ihrer Versteigerung auf dem Markt fühlen.
„Bischof, ich möchte jetzt beichten!“, sagte Chlothar befehlsgewohnt und stand auf.
„Selbstverständlich, Herr. Ich erwarte Euch in der Kapelle.“
Der Verwalter erhob sich hastig. „Eine Frage sei noch erlaubt, mein König!“
„Sprecht!“
„In den Hütten der Knechte und Mägde gibt es vier Waisenkinder, seit die Kuhmagd verstorben ist. Was soll mit ihnen geschehen?“
„Was fragst du mich das? Was macht ihr sonst mit solchen Bälgern? Verkauft sie!“ Ärgerlich schritt Chlothar zur Tür hinaus. Der Bischof folgte ihm eilig.
„Verkaufen? Für die verwahrloste Bande zahlt mir niemand einen Solidus“, schnaufte Syagrios ratlos.
„Dann setz sie einfach vor die Tür!“, schlug Chramn vor. Er warf sich eine Handvoll Nüsse in den Mund, wobei er Radegunde nicht aus den Augen ließ.
Hauptmann Sigimer sah den Sohn des Königs entrüstet an. „Sie sind noch sehr klein!“
„Na und?“ Chramn zuckte gleichgültig die Schultern. „Irgendein Bauernweib findet sich schon, das sich um sie kümmert.“
Radegunde ging zur Tür. Ihr Unterricht fiel heute aus. Bertafrid hatte sich schon kurz vor dem Ende des Mahles hinausgeschlichen, er wollte die Schlachtrosse der königlichen Reiter begutachten. Sie entschied sich, vorsichtshalber nach ihm zu sehen. Der Hof war menschenleer, das Gesinde traf sich in der Halle zum Essen.
Im Stall roch es nach frischem Stroh und warmen Pferdeleibern. Die Tiere des Königs standen vorn neben dem Tor. Die großen Hengste mit breiten Kruppen kauten friedlich ihren Hafer. Ihre dunklen Mähnen glänzten im einfallenden Tageslicht. Bertafrid war nirgends zu sehen. Neben der Futterkammer stand noch immer die Stute mit ihrem Fohlen, das neugierig über den Lattenzaun spähte.
„Na, mein Kleiner! Weißt du, wo Bertafrid sich herumtreibt?“, fragte sie und kraulte die weiche und lockige Mähne. Die Stute schnaubte und beschnupperte ihre Hand.
In der Futterkammer war niemand. Hinter ihr quietschte die Stalltür. Das würde er sein!
„Bertafrid?“
Schritte näherten sich, die nicht die eines Kindes waren. Sie trat aus der Tür der Kammer und prallte mit Chramn zusammen.
„Ja, wen haben wir denn hier? Wartest du auf einen heimlichen Buhlen?“ Er versperrte mit seinem breiten Körper die schmale Pforte.
Sie fühlte ihre Kehle eng werden. „Ich suche meinen Bruder, Herr. Lasst mich vorbei!“
„Bruder? Was für eine billige Ausrede!“ Er schob sie vor sich her zur
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