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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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Junge zuvor verschwunden war.
    „Ihr könnt jetzt hereinkommen!“
    Radegunde war nicht erstaunt über die Armut, die in der Hütte herrschte. Sie hatte nichts anderes erwartet. In der Mitte des Raumes befand sich die Feuerstelle, direkt unter dem Abzugsloch im Strohdach. Links und rechts waren Stufen in die Erde gehackt worden, darauf konnte man tagsüber sitzen, und nachts dienten sie als Lagerstätte. Die Hütte besaß keine Fenster, nur durch die Tür strömte etwas Licht hinein, das den Raum im vorderen Teil erhellte. Sie bedeutete Besa und Agnes, draußen zu warten. Es war eng in der Hütte, außer dem Knecht hockten noch eine Frau und der halbwüchsige Junge um die Feuerstelle.
    Die Frau erhob sich und verbeugte sich.
    Radegunde sah sich um. „Wo sind die Kinder?“
    „Was wollt Ihr von ihnen, Herrin?“ Die Frau flüsterte. „Es sind die Kinder meiner Schwester.“
    „Hab keine Angst, es wird ihnen nichts Böses geschehen.“
    „Die Küchenmagd hat gehört, dass der König befahl, sie zu verkaufen!“
    „Ja, das ist wahr. Aber der Verwalter wandte sofort ein, dass dies nicht möglich sei!“ Radegunde hoffte, Gott würde ihr diese Halbwahrheit vergeben. Sie konnte unmöglich erzählen, was der König außerdem vorgeschlagen hatte. „Ich werde mich um die Kinder kümmern, Gott ist mein Zeuge!“
    Die Frau nickte. „Ich kann sie nicht ernähren, hab selber drei, und das vierte ist unterwegs.“
    „Woran starb die Kuhmagd?“
    „Sie war schwanger. Eine Kuh trat ihr in den Bauch. Das tote Kind vergiftete ihren Körper.“
    „Und ihr Mann?“
    „Der kam bei der Jagd im Frühjahr um. König Chlothar hielt ihn wohl für einen Hirsch.“
    Aus der hinteren Ecke der Hütte, die im Dunkeln lag, kam ein Brabbeln.
    „Kommt her, ihr Rangen!“, rief die Frau über ihre Schulter.
    Zuerst erkannte sie ein etwa vierjähriges Mädchen, das mit fragenden Augen aus der Dunkelheit trat. An seiner Hand tapste ein Kleinkind unsicher vorwärts und brabbelte freudig vor sich hin. Hinter den beiden kamen zwei blonde Jungen zum Vorschein, etwas kleiner als das Mädchen und offensichtlich Zwillinge. Mit vorwitzig blitzenden Augen betrachteten sie Radegunde.
    „Bist du die Prinzessin?“, fragte das Mädchen.
    „Gunda! Sei still!“, ermahnte sie die Frau.
    „Nein, lass nur! Ja, ich bin Radegunde. Wenn du Gunda heißt, dann werden wir ähnlich gerufen, nicht wahr?“
    Das Mädchen nickte schüchtern. „Nimmst du uns mit?“
    Radegunde überlegte kurz.
    „Nein, heute noch nicht. Aber ich komme wieder, vielleicht schon morgen!“
    Das Mädchen schien aufzuatmen.
    ‚Sie hat Angst’, dachte sie. ‚Noch etwas, das wir gemeinsam haben.’
    Als sie aus der Hütte traten, stand eine große Kinderschar auf dem Dorfplatz und starrte neugierig herüber.
    „Sind diese Kinder den ganzen Tag sich selbst überlassen?“
    „Dafür sind die Alten im Dorf zuständig“, antwortete der Knecht.
    Schon auf dem Rückweg berieten sie.
    „Es bringt nichts, die vier Kleinen ganz aus ihrer Umgebung herauszuholen“, meinte Besa. „Sie werden sich am Hof fürchten.“
    Radegundes Augen leuchteten auf. „Dann holen wir alle tagsüber zu uns und unterrichten sie!“
    „Alle – ?“ Agnes verstand nicht.
    „Ja, alle Kinder aus dem Dorf. Außerdem bekämen sie einmal am Tag eine ordentliche Mahlzeit.“
    Agnes atmete hörbar aus. „Wie willst du das dem Verwalter erklären? Das kostet ihn seine hochgeschätzten Solidi!“
    „Außerdem hast du keine Zeit für den Unterricht, du musst doch selbst deine Aufgaben erfüllen!“, gab Besa zu bedenken.
    „Du könntest ihnen etwas beibringen! Du hast doch Zeit.“
    „Was soll ich sie denn lehren? Gänse hüten?“
    „Besa hat Recht, Radegunde!“, wandte Agnes ein. „Du willst gleich zu viel auf einmal. Lass uns mit dem Verwalter reden, ob er das Essen für die vier Waisenkinder erübrigen kann.“
    Sie musste einsehen, dass Agnes wieder einmal am vernünftigsten dachte.
    Syagrios bewilligte nach kurzer Überlegung das Essen für die Waisenkinder. Besa bekam den Auftrag, die vier Kleinen jeden Nachmittag zu holen. Nach dem Unterricht spielten Agnes und Radegunde mit ihnen oder lasen ihnen Geschichten vor. Bertafrid war selten dabei, er verdrückte sich in die Ställe und Soldatenquartiere. In letzter Zeit zog es ihn mehr und mehr zu den Männern der Wache, die mit ihm das Bogenschießen übten.
    Zwei Wochen nach Chlothars Abreise polterte ein Ochsengespann vor das Haupthaus. Das Gesinde

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