Radegunde von Thueringen
… gehört mir?“
„Aber ja!“, nickte Chlothar und lächelte über ihr ungläubiges Gesicht.
„Aber dann – ich wollte – dann kann ich selbst entscheiden?“
„Sicher! Bischof Athalbert berichtet mir in einem Schreiben von deinem mildtätigen und gottgefälligen Werk und bittet, es weiterführen zu dürfen. Jetzt liegt es an dir, was du ihm antwortest!“
Sie wollte auf die Knie sinken, doch er hinderte sie daran. „Es gibt heute noch genug Gelegenheit, deine Dankbarkeit zu zeigen!“, raunte er und musterte sie mit gierigen Augen.
Ihre Freude war schlagartig dahin, der Albtraum, der sie seit Wochen quälte, stand wieder im Raum. All die vielen Überlegungen, die ihr diese unausweichliche Ehe hatten schmackhaft machen wollen, verstummten im Angesicht der kommenden Nacht. Niedergeschlagen betrachtete sie das Pergament, das sich vor ihr auf dem Tisch zusammengerollt hatte.
Ein Sklave trat an den Tisch und schenkte Wein nach. Ehrfürchtig lächelte er ihr zu. Als er sich abwandte, stieß er mit Gunthar zusammen, der sich gerade erhoben hatte. Ein Teil des Weines schwappte über dessen Mantel.
„Was fällt dir ein, du Tölpel?!“, brüllte der Prinz und schlug dem Jungen seine Faust ins Gesicht. Der torkelte und fiel nach hinten. Der Krug zersprang auf dem Boden, der Wein floss über die steinernen Platten. Gunthar begann, den Sklaven mit den Füßen zu traktieren. „Steh auf und mach diese Schweinerei weg!“ Ein Tritt in die Seite bekräftigte seine Worte. Der Junge krümmte sich und zog die Arme über den Kopf. Das erzürnte Chlothars Sohn noch mehr. Er trat wahllos zu, traf Kopf und Rippen.
Bertafrid war aufgesprungen und wollte dem Jungen zu Hilfe eilen, doch Agnes hielt ihn am Ärmel fest.
Radegunde starrte fassungslos auf den tobenden Prinzen und stellte mit einem Seitenblick auf Chlothar fest, dass der die Szene gleichgültig beobachtete und nicht daran dachte, einzugreifen.
„Aufhören! Sofort aufhören!“, schrie sie und sprang auf.
Gunthar hielt inne und sah sich verdutzt um. Diese fremde Stimme klang sehr bestimmt. Sein Blick traf den ihren, und ein höhnisches Grinsen breitete sich auf seinem vom Wein geröteten Gesicht aus.
„Prinzessin! Oder, nein, verehrte Königin! Ich vergaß, dass wir eine Dame am Tisch haben. Doch dieser Nichtsnutz hat meinen Mantel verdorben.“
„Bringt mir den Mantel! Ich werde ihn säubern! Und ist nicht Euer Verlust viel größer, wenn Ihr den Jungen arbeitsunfähig prügelt?“
Gunthars Augen wurden schmal.
Doch bevor er etwas antworten konnte, mischte Chlothar sich ein. „Lass es gut sein, Sohn. Gib den Mantel einer Magd, sie kann ihn säubern. Bringt den Jungen raus!“ Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch.
Wutschnaubend griff sich Gunthar eine Sklavin, die gerade in der Nähe stand, und zerrte sie mit sich zur Tür hinaus. Zwei andere Diener packten den Jungen und trugen ihn mit gesenkten Köpfen aus dem Saal. Bertafrid folgte ihnen.
Chlothar beugte sich zu Radegunde hinab: „Vergiss nicht, dass du die Königin bist! Du wirst niemandes Mantel säubern!“ Er erhob sich. „Komm jetzt, es ist Zeit.“
Ihre Knie zitterten, als sie dem König folgte. Chramn grinste ihr im Vorbeigehen anzüglich zu und griff sich vielsagend zwischen die Beine. Seine Tischnachbarn lachten verhalten. Schaudernd senkte sie die Augen. Erregtes Gemurmel erhob sich im Saal, aller Augen folgten den Frischvermählten. Sie brauchte nicht viel Phantasie, um sich den Inhalt der halblauten Bemerkungen vorzustellen, die jetzt die Runde machten. Der Weg bis zur Tür erschien ihr lang.
Chlothars Gemach lag im Haupthaus am Ende eines Ganges, der mit ein paar spärlichen Kienspänen erhellt war. Sie blieb überrascht in der Tür stehen. Im milden Licht etlicher Öllampen warteten zwei junge Dienerinnen. Auf dem Boden leuchteten rote und weiße Rosenblüten, ein betörender Duft nach Kräutern hing in der Luft. Das große Bett in der Mitte des Raumes war mit hellem Linnen ausgelegt. Neben dem Kopfteil stand eine tönerne Schale, aus der weißer Rauch aufstieg.
Eine der jungen Frauen zog sie zum Lager und begann, sie mit geübten Handgriffen auszukleiden. Die andere zog Chlothar Mantel und Stiefel aus.
Verwirrt registrierte Radegunde die flinken Hände der schwarzhaarigen Sklavin, die sie mit einem liebevollen Lächeln ansah. Als sie nackt war, drängte die Frau sie sanft auf das Bett und begann, sie zu streicheln. Mit zarten Bewegungen strich sie ihr das Haar zurück,
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