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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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Sie dachte an die zarten Hände von Salomé und fragte sich wiederholt, warum sie keine Freude an diesem Spiel zwischen Mann und Frau finden konnte. Nachdem er eingeschlafen war, lief sie zur Kapelle.
    Als sie am nächsten Morgen die Pferde bestiegen, hingen feine Nebelschleier über dem Fluss, der sich nahe dem Hofe durch die Wiesen wand. Die Bewohner von Athies standen am Weg vom Haupthaus zum Tor. Vor Chlothar, der vornweg ritt, neigten sie stumm die Häupter. Als sie Radegunde auf ihrer braunen Stute erblickten, beugten sie jedoch ehrerbietig die Knie. Die Thüringer Sklaven fielen gar auf den Boden und legten ihre Gesichter auf die Unterarme. „Gott sei mit dir, große Königin!“, rief eine fränkische Magd aus. Zustimmendes Gemurmel antwortete ihr.
    „Was haben die Leute?“, murmelte Radegunde peinlich berührt.
    Agnes lächelte. „Sie verehren dich, das siehst du doch.“
    „Aber warum?“
    „Denkst du, sie sind dumm? Sie reimen sich vieles zusammen. Außerdem hatten wir Helfer unter ihnen, den Schmied zum Beispiel. Es spricht sich herum, wie die Gefangenen frei gekommen sind.“
    „Das gefällt mir gar nicht!“
    „Mach dir keine Sorgen. Sie werden schweigen.“ Sie führte ihr Pferd dichter an Radegundes Stute heran. „Heute früh habe ich ein Gespräch zwischen zwei Milchmägden aus deiner Heimat belauscht. Eine behauptete, du hättest die Burgunder mithilfe eines Lösesegens befreit. Sie klangen sehr beeindruckt!“
    „Mit dem Lösesegen? Um Freyas willen, den darf doch nur Alwalach aussprechen!“ Sie lachte unsicher. „Wie kommen sie nur auf so etwas?“
    „Denk nach! Das ist es doch, was wir wollten. Die Fesseln waren nicht geöffnet, jeder sollte glauben, es wären geheime Mächte im Spiel gewesen. So konnte Chlothar niemandem die Schuld zuweisen!“
    Inzwischen hatten sie die Palisaden passiert und verfielen in einen leichten Trab. Radegunde warf noch einen letzten Blick zurück auf ihre Villa, deren Tor hinter ihnen geschlossen wurde.
    „Was ist eigentlich der Lösesegen? Kennst du ihn?“, fragte Agnes neugierig.
    „Es ist der magische Spruch der Disen, mit dem sie auf dem Schlachtfeld gefangene Krieger von ihren Fesseln befreien. Genau kenne ich ihn nicht, aber er endet mit dem Ruf: ‚Entspringe den Fesselbanden, entfahr den Feinden!’.“
    Agnes zog die Stirn kraus. „Und was sind Disen?“
    „Sie sind Wodans Botinnen, sie reiten über die Schlachtfelder, um die gefallenen Krieger nach Asgard zu bringen.“
    Da Agnes verwirrt schwieg, fügte sie hinzu: „Asgard ist das, was die Christen als Himmel bezeichnen.“
    Agnes nickte erleichtert. Langsam bekam die Geschichte einen Sinn.
    „Gibt es noch mehr von diesen … Zaubersprüchen?“
    „Natürlich. Alwalach kennt sie alle. Er kann Menschen heilen und Pferde. Es gibt auch einen Zauber, der Regen bringt, und einen, der Mäuse und Ratten vernichtet.“
    „Dann muss dieser Alwalach mächtiger als ein König sein!“
    Diese Feststellung überraschte Radegunde. So hatte sie das Können des Hohen Priesters noch nie betrachtet. Doch sie wurde einer Antwort enthoben, denn die vorderen Pferde hatten freies Feld erreicht und der schnelle Ritt erforderte ihre ganze Konzentration.
Soisson, Spätsommer 543
    Mein lieber Amalafrid,
keine Spur, keine Nachricht von dir erreicht mein banges Herz! Noch immer wähne ich dich als Geisel in den Händen eines fremden Königs.
    Oh, teurer Freund und Vetter, sooft ich die Augen verschließe, stelle ich mir vor, wie dein Antlitz wohl heute aussieht! Doch werde ich dich immer erkennen, selbst wenn unendliche Zeit vergangen ist. Nie könnte ich deinen liebevollen Blick, dein frohes Lachen vergessen.
    Ich teile Chlothars Bett, doch nicht sein Herz. Sein Same stirbt in mir ab wie eine faule Frucht am Baum.
    Wie innig ersehne ich freudige Botschaft von dir! Und doch schlagen inzwischen zwei Herzen in meiner Brust. Das alte, stark und treu, klopft für die verlorene Heimat. Das andere, klein noch und verzagt, pocht für die Schwachen und Armen, die mich in meinem Königreich brauchen. Ach, könnt ich mich zerreißen, um beiden Völkern zu dienen!
    In Liebe Radegunde
    Besa stand auf ihrem Hocker und nahm den Laden aus dem Fenster. Trotz des Spätsommermorgens schauderte sie. „Der Herbst ist nicht mehr fern. Ich kann es riechen. Außerdem spüre ich es in den Knochen.“
    Radegunde schlug die Decke zurück und lächelte. „Um das festzustellen, brauchen wir deine Knochen nicht, sieh dir die Bäume an! Am

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