Radieschen von unten
mich gleich auf den Weg gemacht. Die Hilfskraft ist dann später dazugestoßen.«
»Was hatten Sie für einen Eindruck von Herrn Wilfert?«, fragte Alex.
»Als ich ankam, hatte ihm der Arzt gerade eine Beruhigungsspritze gegeben. Herr Wilfert war durch den plötzlichen Tod seiner Frau offenbar völlig durcheinander. Dennoch musste ich ein paar grundlegende Dinge mit ihm klären.«
»Stimmt es, dass Herr Wilfert Ihnen bei der Gelegenheit Bargeld gegeben hat?«, hakte Alex nach.
»Ja, das stimmt. Wir haben über den Sarg gesprochen, und er bestand darauf, diesen gleich zu bezahlen. Ein Trauerfall löst bei den Menschen ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Leider hatte ich keinen Quittungsblock dabei. Deswegen erschien der Preis für den Sarg auf der Rechnung noch einmal – ein dummes Missverständnis. Nachdem Herr Wilfert das bei meinem Sohn moniert hatte, habe ich den Fehler sofort korrigiert und ihm eine neue Rechnung geschickt. Aber sonst war alles in Ordnung. Die Totenmaske wollte er gern als Erinnerung haben. Nur der Neffe war damit nicht einverstanden.«
Alex horchte auf. »Sie meinen Herrn Schuler. War der auch da?«
»Ja, der ist kurz nach mir gekommen und hat sich ziemlich aufgespielt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte FrauWilfert eine Bestattung wie beim Discounter bekommen – alles so billig wie möglich. Dann hat dieser unverschämte Mensch noch sämtliche Schubladen durchwühlt. Ob er etwas mitgenommen hat, konnte ich nicht sehen.«
»Wie hat Herr Wilfert darauf reagiert?«
»Der ist immer ruhiger geworden und hat das gar nicht mitbekommen. Da hat wohl die Spritze gewirkt. Glücklicherweise ist der Neffe bald wieder verschwunden, und ich konnte mit Herrn Wilfert die Details besprechen. Er wollte nur die allerbeste Ausstattung für seine Frau.«
»Haben Sie Herrn Wilfert noch einmal getroffen?«
»Bei der Beerdigung. Da schien er mir großen Trost aus der würdevollen Gestaltung und vor allem aus der Totenmaske zu ziehen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe«, betonte die Bestatterin und erhob sich. »Und was den falschen Kranz betrifft, das war ein bedauerlicher Fehler. Wir hatten schließlich an dem Tag fünf Beerdigungen. Da kann schon einmal etwas durcheinandergeraten. Selbstverständlich habe ich den Kranz nicht berechnet. Jetzt muss ich aber wieder an die Arbeit.«
Alex verabschiedete sich und ging weiter zu Hilde Wilferts Grab. Manni Schuler wollte eine Billigbestattung für seine Tante und hat bei ihr nach Geld gesucht, kaum dass sie tot war. Ihm musste das Wasser wirklich bis zum Hals stehen.
Wer war noch verdächtig? Die Knörringers? Wilfert hatte ihnen immerhin gedroht. Aber die Fehler bei der Abrechnung – selbst wenn diese kein Versehen gewesen waren – waren inzwischen behoben. Da fehlte ein Motiv.
Aber was war mit Elfie Ruhland? Diese hatte immer ein Motiv, wenn jemand ungerecht behandelt wurde, schoss es Alex durch den Kopf. Sie schob den Gedanken jedoch schnellwieder beiseite. Elfie war sympathisch und fürsorglich, sie setzte sich für ihre Mitmenschen ein. Und es gab keinerlei Beweise, dass ihre Methoden je einen Mord beinhaltet hätten.
Geschafft! Elfie klappte den letzten Ordner zu. Endlich hatte sie die Inventurunterlagen der vergangenen drei Jahre lückenlos und korrekt aufbereitet. Dazu war eine gehörige Portion detektivischen Spürsinns nötig gewesen. Aber nun hatte sie es geschafft – und darüber völlig die Zeit vergessen. Es war schon zwanzig Uhr vorbei.
Sie erhob sich von dem unbequemen Stuhl, streckte sich und atmete ein paar Mal tief durch. Die Luft in dem fensterlosen Raum war abgestanden. Nachdem die anderen Mitarbeiter gegangen waren, hatte Elfie die Tür geschlossen, um ungestört in ihre komplizierte Zahlenwelt eintauchen zu können, während in den anderen Räumen geputzt wurde.
Rasch öffnete sie jetzt die schwere Feuerschutztür, und sofort drangen feurige Klänge an ihr Ohr. Das war wieder die Tangomusik, die sie heute Morgen versehentlich angestellt hatte.
Leise schlich Elfie den kleinen Flur entlang. Die Türen zur Halle standen einen Spalt breit offen. Vorsichtig lugte sie hindurch.
Bei dem Anblick, der sich ihr dann bot, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf. Juliane und Carlos Knörringer tanzten in inniger Umarmung und mit geschlossenen Augen zwischen den Särgen und Urnen herum.
Carlos trug noch seinen grauen Anzug, hatte jedoch die Schuhe gegen ein zweifarbiges Paar ausgetauscht – hinten schwarz und
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