Radieschen von unten
mich?« Erwartungsvoll blickte er von Alex zu Gudrun.
Beide schüttelten den Kopf.
»Mensch, es ist gerade mal halb zehn«, sagte Gudrun. »Da ist doch das Frühstück noch nicht lange her. Wie kann man da schon wieder Hunger haben?«
»Weißt du, was ich zum Frühstück hatte?«, fragte Brause.»Ein Schüsselchen Magerquark mit einer Handvoll Heidelbeeren, ohne Zucker natürlich. Davon kann ein gestandenes Mannsbild doch nicht satt werden.«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Habt Ihr nicht vielleicht doch eine kleine Wurstsemmel oder …?«
»Geh doch zum Imbiss runter und hol dir eine Leberkässemmel«, unterbrach ihn Gudrun ungerührt. »Das hast du doch jahrelang getan. Dein Körper verträgt diesen kalten Entzug einfach nicht.« Sie grinste spöttisch.
»Nein, das kann ich nicht«, entgegnete Brause. »Ich habe Irmgard versprochen …«
»Wer ist Irmgard?«, riefen Alex und Gudrun wie aus einem Munde und sahen ihren Chef erstaunt an.
Dieser errötete doch tatsächlich – eine Gefühlsregung, die Alex ihm überhaupt nicht zugetraut hätte. Er blickte kurz zu Boden, hob dann den Kopf wieder und sagte mit einem Anflug von Trotz: »Irmgard ist eine Bekannte, mit der ich ab und zu etwas unternehme. Sie sorgt sich um meine Gesundheit und hat einen Diätplan für mich ausgearbeitet. Sie ist nämlich Ökotrophologin.«
Bei den letzten Worten mischte sich ein gewisser Stolz in Brauses Stimme.
Gudrun lachte laut los.
»Ich fasse es nicht«, feixte sie. »Unser Chef hat eine Freundin. Wie hast du die denn an Land gezogen? Und sie ist Öko… was?«
»Du brauchst gar nicht zu lachen«, murrte Brause beleidigt. »Oder darf ich keine Freundin haben? Wenn du es genau wissen willst, haben wir uns beim Kegeln kennengelernt. Und Irmgard ist Ökotrophologin und arbeitet als selbstständige Ernährungsberaterin.«
»Die Dame liebt wohl extreme Herausforderungen«, witzelteGudrun weiter. »Bei deinen Essensgewohnheiten beißt sie sich sicher die Zähne aus.«
»Ich finde es gut, dass du auf deine Figur achtest«, schaltete sich Alex begütigend ein. »Und du bist schon deutlich schlanker geworden. Aber du musst weiter durchhalten, sonst machst du deinen Erfolg wieder zunichte. Doch jetzt mal zurück zur Arbeit: Im Fall Wilfert ist laut Spusi der Fundort nicht der Tatort. Ich fahre noch einmal zum Südfriedhof, um mich dort umzusehen.«
»Ja, mach das«, sagte Brause, offenbar erleichtert über den Themenwechsel.
Er stand auf und verließ zusammen mit Alex den Raum. Auf dem Flur blieb er stehen und sagte leise: »Danke für die Unterstützung.«
Dann verschwand er schnell in seinem Büro.
Vergnügt lief Alex die Treppen hinunter. Jetzt wusste sie endlich, woher Brauses Sinneswandel kam. Er war verliebt. Sie war gespannt, wie sich das entwickeln würde.
Auf der Fahrt zum Südfriedhof konzentrierte sich Alex wieder auf ihren Fall. Wenn Wilfert nicht am Grünabfallplatz gestorben war, wie war er dann dorthin gebracht worden? Die Kriminaltechnik hatte auf dem Weg keinerlei Spuren gefunden. Allerdings hatte es zwei Tage zuvor geregnet. Wahrscheinlich lag der Tatort irgendwo auf dem Friedhof oder in der näheren Umgebung, denn dort hatte das Mountainbike gestanden.
Als Alex auf den Parkplatz einbog, sah sie automatisch zum Fahrradständer. Doch das schwarze E-Bike war natürlich nicht mehr da. Die Untersuchung des Rades hatte jedoch keine verwertbaren Hinweise ergeben.
Dennoch ging Alex als Erstes zum Fahrradständer. Siestellte sich vor, wie Josef Wilfert hier mit dem Rad angekommen war, es abgeschlossen und den wertvollen Schlangenledersattel sorgfältig mit einer Plastiktüte abgedeckt hatte. Und dann? Was hatte er dann getan?
Sie sah sich um. Wahrscheinlich war er zum Grab seiner Frau gegangen.
Alex betrat den Friedhof und machte sich auf denselben Weg, den Wilfert vermutlich genommen hatte. Als sie an der Aussegnungshalle vorbeikam, bemerkte sie am Seiteneingang einen Wagen der Firma Pietas. Vielleicht könnte sie Carlos Knörringer noch ein paar Fragen stellen.
Alex öffnete die Tür der Halle und blieb drinnen einen Moment stehen, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Im Hauptraum war niemand zu sehen, doch aus einem Nebenzimmer kamen gedämpfte Geräusche. Außerdem war dort das Licht eingeschaltet.
Als Alex um die offen stehende Tür herumging, sah sie den Rücken einer blonden Frau mit Pferdeschwanz, die sich gerade über einen Sarg beugte.
»Verzeihen Sie, ist Herr
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