Radieschen von unten
schüttelte den Kopf und zog ihren Dienstausweis hervor. »Nein, vielen Dank. Zum Glück gibt es keinen Trauerfall – jedenfalls nicht im privaten Bereich. Ich bin mit Frau Knörringer und Herrn Ritter verabredet.«
»Frau Knörringer lässt sich entschuldigen. Sie musste dringend zu einem geschäftlichen Termin. Aber Martin Ritter steht zu Ihrer Verfügung.«
Gleich darauf sah jemand vom Flur herein. »Kommen Sie doch bitte ins Sarglager, ich habe noch jede Menge zu tun. Und wenn ich nicht fertig werde, gibt es wieder Ärger mit der Chefin.«
Alex ging auf den Mann zu und folgte ihm.
»Herr Ritter? Ich habe ein paar Fragen an Sie.«
»Ja, aber es ist eine Lieferung mit italienischen Särgen gekommen.Die muss ich unbedingt auspacken und herrichten.«
Alex sah die neuen Särge herumstehen, aber sie konnte ihren Blick nicht von Martin Ritter wenden. Was hatte er nur mit seinen Haaren gemacht?
Offenbar drückten sich ihre Gedanken allzu deutlich in ihrem Mienenspiel aus. Martin Ritter fuhr sich jedenfalls verlegen über seinen dichten Schopf, der ein struppiges Lila zeigte. So einen Farbton hatte Alex bisher nur bei älteren Damen gesehen, dann allerdings seidig glänzend.
»Nicht dass Sie meinen, ich sei ein Punker«, begann Martin Ritter zu erklären. »Eigentlich wollte ich nur meine Naturfarbe auffrischen, so ein Boris-Becker-Rotblond.«
Dabei schwang ein gewisser Stolz in seiner Stimme. »Aber irgendetwas hat da nicht hingehauen. Jedenfalls war ich neulich karottenrot und hatte Stress mit der Chefin, von wegen würdelos und so. Da habe ich gedacht, am besten färbe ich die Haare ganz grau, aber, wie Sie sehen, hat auch das nicht geklappt.«
Er lachte verschmitzt.
»Wie wäre es, wenn Sie die Sache einem Fachmann übergäben?«, schlug Alex vor.
Martin Ritter verzog die Mundwinkel und seufzte: »Ich fürchte, Sie haben recht. Ich muss nachher zum Friseur. Zum Glück hat die Chefin mich in den letzten Tagen nicht gesehen. Sonst wäre mit Sicherheit der nächste Rüffel fällig gewesen. Und darauf kann ich gut verzichten.«
Alex nickte verständnisvoll.
»Aber Sie sind ja bestimmt nicht hergekommen, um sich mit mir über meine Haarfarbe zu unterhalten. Oder sehe ich schlimmer aus, als die Polizei erlaubt?« Wieder sein verschmitztes ansteckendes Lachen.
»Nein, natürlich ist der Polizei Ihre Haarfarbe egal.« Alex lachte ebenfalls, wurde dann aber ernst. »Es geht um die Arbeitsabläufe bei einem Sterbefall.«
»Und darüber wollen Sie mit mir sprechen?«, wunderte sich Martin Ritter. »Da wären doch eher die Chefs zuständig.«
»Ja, das dachte ich eigentlich auch, aber Herr Knörringer ist heute unterwegs, und offenbar musste Frau Knörringer plötzlich weg. Sie sagte mir jedoch am Telefon, dass Sie mir über den Sterbefall Wilfert auch Auskunft geben könnten.«
»Meinen Sie den Mordfall? Da haben wir den Verstorbenen aus der Rechtsmedizin abgeholt und in der Trauerhalle am Südfriedhof hergerichtet.«
»Nein, darum geht es nicht. Es geht um seine Frau. Hilde Wilfert ist ja ein paar Tage, bevor ihr Mann ermordet wurde, zu Hause gestorben.«
»Ja, genau, aber wissen Sie was? Ich würde gern mein Butterbrot essen. Können wir uns nicht so lange setzen?«
»Sicher«, stimmte Alex einigermaßen verblüfft zu.
Während sie sich nach einer Sitzgelegenheit umsah, ließ sich Martin Ritter auf einen dunkel gebeizten Eichensarg fallen und bot ihr an, auf einem Exemplar mit glänzend schwarzlackierter Oberfläche Platz zu nehmen.
Alex zögerte einen Augenblick.
»Nicht, dass ich da einen Kratzer verursache«, schob sie vor, obwohl ihr in Wirklichkeit der Gedanke Unbehagen bereitete, auf einem Sarg sitzend, ein Gespräch zu führen.
»I wo, der kann das schon vertragen«, beruhigte Martin Ritter sie, holte aber doch ein sauberes Staubtuch als Unterlage.
»Unser derzeit teuerstes Stück, Modell Sizilien. Sieht doch toll aus, dieser Klavierlack. Und die goldziselierten Griffeerst. So einen Sarg wird sich unsereins nie leisten können. Dafür kriegt man ja schon einen Kleinwagen.«
Martin Ritter lachte wieder. »Aber den kann ich mir auch nicht leisten. Bei mir reicht es nur zu einem Mofa.«
Er packte seine Brote aus. »Möchten Sie eines haben? Käse oder Salami?«
Alex winkte dankend ab und ließ sich dann widerstrebend auf Modell Sizilien nieder. Gut geeignet für einen Mafia-Boss, dachte sie amüsiert.
»Jetzt aber zu Frau Wilfert«, gab sie sich einen Ruck. »Erinnern Sie sich an den
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