Radieschen von unten
Ablauf?«
Martin Ritter nickte kauend. »Frau Wilfert ist in der Nacht in ihrem Bett gestorben, und ihr Mann hat voller Panik bei der Chefin angerufen.«
Er schüttelte den Kopf. »Wie die Leute sich das manchmal vorstellen. Als ob wir sofort kämen, die Verstorbenen abzuholen. Zunächst muss doch ein Arzt den Totenschein ausstellen, und erst dann kommen wir.«
Alex hatte inzwischen Mühe, ihre Ungeduld zu zügeln. »Wann waren Sie denn dann bei Wilferts?«
»Die Chefin hatte mich für 7.30 Uhr bestellt. Ich war auch pünktlich. Sie war aber schon vor mir da – wie immer. Aber außer dass sie der Toten das Kinn hochgebunden hatte, war noch nichts passiert.«
»Sie ist also immer vor Ihnen da?«, fragte Alex nach.
»Immer«, bekräftigte Martin Ritter. »Und sie will auch immer die Letzte beim Einsargen sein. Nicht dass sie selbst den Sargdeckel auflegen würde! Das müssen meine Kollegen und ich schon machen, aber sie schiebt immer selbst den Deckel zu.« Er machte eine abfällige Handbewegung, wobei ihm ein Stück Salami herunterfiel. »Und dabei will sie allein sein. Es sei ihre vornehmste Aufgabe als Bestatterin,ein letztes Mal mit den Verstorbenen in Kontakt zu treten. Das sei sie ihnen schuldig. Wir dürfen dann erst wieder die Schrauben festziehen. Typisch. Sie macht da einen auf Esoterik, und wenn es an die Arbeit geht, dann sind wir gut genug.«
»Interessant«, murmelte Alex in sich hinein, schob dabei die Wurstscheibe mit dem Schuh ein wenig unter den Mafiasarg. »Aber noch einmal zurück zu Frau Wilfert. Haben Sie in ihrem Bett etwas gefunden, Papiere oder vielleicht Geld? Bekanntlich verstecken viele alte Menschen aus Angst vor Diebstahl ihre Wertsachen unter dem Kopfkissen oder unter der Matratze.«
»Das können Sie laut sagen. Wenn ich zusammen mit Carlos arbeite, dann finden wir schon einmal Sachen in den Betten, Schmuck, Testamente, auch Geld. Letztens haben wir sogar noch ein paar Hundertmarkscheine entdeckt. Der Chef hat natürlich alles immer gleich den Angehörigen übergeben, ist doch klar.«
Martin Ritter sah Alex plötzlich an. »Wenn ich mit Frau Knörringer zusammenarbeite, finden wir nie irgendwelche Wertsachen.«
Er kaute auf der Unterlippe und meinte nachdenklich: »Eigentlich komisch – oder?«
Alex enthielt sich jeglichen Kommentars und fragte ihrerseits: »Bei Frau Wilfert haben Sie also auch nichts gefunden?«
»Nein, nachdem ich Frau Wilfert samt dem Spannlaken auf unsere Trage gelegt hatte, habe ich das Bett ordentlich gemacht, und dann haben wir die Verstorbene ins Auto gebracht. Dabei hat die Chefin sogar mit angepackt. Musste sie ja auch, denn allein hätte ich das nicht geschafft, obwohl an der alten Dame ja nix dran war, ein richtiges Leichtgewicht.«
»Warum hat Frau Knörringer denn nicht einen Kollegen zusätzlich bestellt, der Ihnen beim Tragen hätte helfen können?«
»Gute Frage«, meinte Martin Ritter grimmig. »So viele Festangestellte haben wir nicht. Und einer von den Sargträgern, der hätte ja extra gekostet. Und bezahlen will der geizige Dra …, ähm, die Chefin möglichst wenig.«
»Ja, Herr Ritter, das war es auch schon.« Alex erhob sich von Modell Sizilien. »Ich gehe jetzt noch mal kurz ins Angestelltenbüro zu Frau Ruhland.«
»Okay, ich muss auch weitermachen, sonst wird das heute nichts mehr.« Martin Ritter drückte Alex mit seiner Pranke zum Abschied so fest die Hand, dass sie beinahe aufgeschrien hätte.
Die Tür zum Büro der Angestellten stand offen, aber die Luft war trotzdem zum Schneiden. Theodor Bornekamp sprang gleich auf, als er Alex sah.
»Kann ich Ihnen doch helfen?«, fragte er, aber da hatte sich Elfie schon erhoben und kam auf Alex zu.
»Bringen Sie mir Amadeus? Er könnte sich hier in dem kleinen Garten austoben. Obwohl Toben wohl nicht das richtige Wort ist bei seiner Konstitution.« Elfie lachte.
»Nun, vielleicht tobt er nicht gerade, aber zu anderem Unsinn reicht es durchaus«, gab Alex zurück. »Wenn ich nur an mein Tulpenbeet denke …« Sie verzog das Gesicht. »Nein, Amadeus ist zu Hause, aber ich wollte eine Kleinigkeit mit Ihnen besprechen, Frau Ruhland. Wäre das vielleicht jetzt möglich?«
»Na, dann toben wir beide mal kurz hinters Haus.«
Elfie ging voran, Alex nickte den anderen freundlich zu.
Sie setzten sich auf die Bank und schwiegen eine Zeitlang.
»Ich bin eigentlich dienstlich hier«, rückte Alex schließlich mit der Sprache heraus.
»Was gibt es denn?« Elfies Stimme zitterte ein
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