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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Krieg ist, und dass der Krieg immer noch auf dem Reißbrett entschieden wird. Und Missy ? Sie war fast immer an Widukinds Seite zu finden, steckte ihm Zettel zu, zeigte ihm ihr Handydisplay, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Und Samson glaubte nicht, dass es dabei um frisches Schweineblut ging.
    Nein, irgendwo musste es da noch mehr geben, eine Puppe in der Puppe, einen innersten Zirkel innerhalb des inneren Zirkels, eine weitere Abzweigung in diesem Kaninchenbau, in den er sich gezwängt hatte. Wieso sonst ging es in den großen Runden am Abend nie um Geld, um Strategie, um ein Programm – oder um Sprengstoff? Und wie sonst war es zu erklären, dass Widukind am Ende der zweiten Woche nach Pippins Dazustoßen freudestrahlend im großen Konferenzraum verkündete, dass der Imam, der als Leiter der im Bau befindlichen Moschee in Wilmersdorf auserkoren worden war und mit dem sich erst vergangene Woche der Bundesinnenminister getroffen hatte, am morgigen Tag leider Besuch von der Polizei bekommen würde, weil sich in seiner Wohnung bedauerlicherweise Unmengen von kinderpornografischem Material finden würden? Und dass Widukind , nachdem er am folgenden Tag jeden der Anwesenden mit einem Glas Wein versorgt hatte, um die vorhergesagte Festnahme des Imams zu feiern, einen Toast auf das Kommando und seine special forces ausbrachte?
    Widukind war ihm nicht sympathisch. Trotzdem suchte Samson seine Nähe. Schließlich war Widukind vermutlich der einzige Zugang zu Aurelius , den mysteriösen special forces und vielleicht auchzu den Mördern von Lutfi Latif. Aber wenn er ehrlich war, bereitete es ihm auch ein gewisses Vergnügen, mit Widukind zu reden – noch so eine beunruhigende Sache, die ihn nachts nicht schlafen ließ, weil er sich fragte, wie er jemals Sumaya würde erklären können, dass Widukind kein Idiot war, sondern ein Intellektueller, der aus dem Kopf Winston Churchill zitieren konnte, wenn vielleicht auch nur aus dessen berüchtigter Abrechnung mit dem Islam: »Es gibt keine rückschrittlichere Kraft in der Welt, und wäre die Christenheit nicht geborgen im starken Arm der Wissenschaften, gegen die der Islam so erfolglos ankämpft, dann würde die moderne europäische Zivilisation genauso zugrunde gehen wie einst die Zivilisation des alten Roms.« »Ja«, ergänzte Widukind dann zumeist nachdenklich, »Churchill war ein unbestechlicher Beobachter. Aber dass wir uns einfach selbst aufgeben würden, hat auch er nicht vorhergesehen.«
    Doch mit Urteilen anderer allein gab Widukind sich nicht zufrieden. Er ging den Dingen gerne selbst auf den Grund. Samson bemerkte rasch, dass Widukind Fachbücher aller Art zum Thema Islam regelrecht verschlang. Seine Argumente waren daher nie vulgär. Mochten Peacemaker und Matthäus , das ständig knutschende Ehepaar, über die »Migrationsindustrie« herziehen und Mohammed einen »pädophilen Räuberhauptmann« nennen. Oder Gruselgeschichten verbreiten darüber, wie muslimische Migranten in Europa Seuchen wie Ehec per »Fäkal-Dschihad« verbreiteten, indem sie bei der Feldarbeit mit Absicht auf die Früchte schissen oder ihre Exkremente in Backwaren mischten und verkauften. Oder darüber, dass angeblich jede zehnte muslimische Familie Konservengläser mit missgebildeten Föten in ihren Schränken stehen habe, weil wegen der verbreiteten Inzucht unter Muslimen Erbkrankheiten ein erschütterndes Ausmaß angenommen hätten. – Widukind wies sie zwar nie zurecht, vielleicht weil er keinen Schaden in solcherlei Propaganda erkennen konnte; zugleich aber beteiligte er sich auch nicht an ihrer Verbreitung, versah sie nicht mit dem Siegel seiner Autorität, sondern zog sich lieber mit dem intellektuelleren Renatus und mit Missy oder Pippin in eine der Sitzecken im Konferenzraum oder auf dem Balkon zurück, um etwas tiefer zu schürfen.
    Missy war besessen von dem, was sie eine Kultur der Frauenverachtung im Islam nannte, das war offenkundig. Sie erregte sich darüber, dass Frauen im Koran als »Saatfeld« der Männer beschrieben wurden. Dass den Männern die Züchtigung der Frauen erlaubt, ja vorgeschrieben sei. Und dass der Prophet mit Aischa eine Lieblingsfrau gehabt hatte, die zum Zeitpunkt der Eheschließung gerade einmal neun Jahre alt gewesen sei.
    »Deshalb glaube ich auch nicht an die Unterscheidung zwischen Islamisten und Muslimen«, erklärte sie. »Denn jeder Muslim glaubt, dass der Prophet ein vorbildhaftes Leben gelebt hat. Also muss er es auch für sich zumindest theoretisch

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