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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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in gewohnter Strebermanier, dass »aus eigenem Aufkommen« klar sei, dass »die Szene« den Anschlag auf Lutfi Latif positiv aufgefasst habe. Vereinzelt würde in den al-Qaida-nahen Diskussionsforen nachgefragt, ob und wann sich denn die al-Qaida-Zentrale im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet selbst noch bekennen würde. Aber Mitdiskutanten, so der BND pflichtschuldig, erinnerten an den Selbstmordanschlag von Stockholm, in dem eine solche Übernahme der Verantwortung ebenfalls ausgeblieben war – und der sich trotzdem als Anschlag einer al-Qaida-Filiale herausgestellt hatte, jedenfalls »mit hoher Wahrscheinlichkeit«. Mit hoher Wahrscheinlichkeit. Nie ohne Helm, dachte Dengelow. Das sollte das Motto des BND sein. Wobei ihm, auch nach tieferem Nachsinnen, nicht einfiel, was das wahre Motto des BND war. Vielleicht gab es auch keines.
    Die meisten anderen Mitteilungen, in die ihm seine ZuträgerEinblick gewährten, befassten sich mit Themen, mit denen er überhaupt nichts zu tun hatte. Neue, unter der Hand verbreitete Brandsatz-Anleitungen für die Auto-Abfackler aus der linksradikalen Szene zum Beispiel, oder Kontakte von ein paar versprengten Anarcho-Syndikalisten aus Friedrichshain nach Griechenland, die womöglich zu den Bastlern der Briefbomben führten, die im Winter 2010 für einige Aufregung gesorgt hatten.
    Die einzig interessante Meldung stammte vom Landeskriminalamt Berlin. In diesem Fall hatte ein »junger Mann palästinensischer Herkunft mit deutschem Aufenthaltstitel« Anzeige gegen unbekannt erstattet wegen der Kokelei an der Moschee am Mehringdamm. Er behauptete, er habe mit einer Art muslimischer Bürgerwehr Wache gehalten, weil es in den vergangenen Wochen so viele ähnliche Vorfälle gegeben hatte. Er war zum Staatsschutz gelaufen und hatte den Kollegen dort ein Foto übergeben, das einen der beiden Angreifer zeigen sollte, wobei er »eindringlich und wiederholt darum bat, seine Identität vertraulich zu behandeln«. Das LKA hatte das Bild zu den Akten gegeben, den Mann auf dem Bild aber mangels dringenden Tatverdachts nicht als Verdächtigen eingestuft.
    Dengelow interessierte sich trotzdem für die Meldung. Die Geschichte von der muslimischen Bürgerwehr kam ihm bekannt vor, und er erinnerte sich wieder an den Vermerk des Landesamtes für Verfassungsschutz. Wie hatten die sich noch genannt? Die Vollstrecker von Allahs Willen oder so ähnlich, irgendeiner von diesen arabischen Begriffen, den sich kein Mensch merken konnte. Noch mehr aber interessierte Ansgar Dengelow sich dafür, dass kein Verfahren eingeleitet worden war. Wieso nicht? Vielleicht waren die Kollegen ja überlastet, das konnte schon sein. Aber andererseits wäre ein aufgeklärter Brandanschlag auf eine Moschee sicher etwas, womit man sich schmücken könnte.
    Vielleicht sollte er den jungen Kollegen einfach anrufen, der ihm die E-Mail geschickt hatte?
    Es klingelte dreimal, dann ging der junge Kommissar an sein Handy.
    Immer mit der Tür ins Haus, rief sich Dengelow seine Überrumpelungstaktik ins Gedächtnis. »Dengelow hier, hallo! Hören Sie, Kollege, ich wollte mal kurz nachfragen, wenn Sie ne Sekunde Zeithaben, warum das LKA kein Verfahren eingeleitet hat gegen diesen angeblichen Moscheezündler auf diesem Foto, Sie wissen schon?«
    »Moment.«
    Dengelow hörte, wie der Kollege von seinem Schreibtisch aufstand und irgendjemandem etwas zumurmelte. Dann hörte er Schritte und schloss, dass der Kollege sich an einen ruhigeren Ort begab.
    Nach etwa dreißig Sekunden meldete der Kommissar sich wieder. »Herr Dengelow, sind Sie noch dran?«
    »Ja.«
    »Ich musste mal kurz weg von den Kollegen. Ich hab gesagt, meine Freundin ist dran.«
    »Also, was ist los?«
    »Sunderberg hat es ausgetreten. Ich war da, als der Mann sich bei uns gemeldet hat, Fadi Schadi oder so, ist ja auch egal. Hat ein Internetcafé in der Graefestraße. War total aufgeregt. Jedenfalls habe ich es Sunderberg vorgetragen, und er hat gesagt: Wir machen gar nichts.«
    »Und wieso?«
    »Ich verstehe es auch nicht.«
    »Haben Sie nachgefragt?«
    »Sie kennen Sunderberg doch auch, oder?«
    Dengelow lachte jovial. »Ja, natürlich.«
    »Stattdessen wollte er, dass wir alles über den Anzeigeerstatter herausbringen. Ich sollte sogar mit dem Verfassungsschutz reden, diskret. Ob man was gegen den Mann in der Hand habe. Ob er nicht interessant sein könnte.«
    »Wegen dieser Bürgerwehr-Sache?«
    »Sunderberg nennt es eine Zelle.«
    »Verstehe. Tja, und Sie haben

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