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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Sinn und seine Mitstreiter Lutfi Latif umgebracht hatten, falsch? Oder bestätigte es nur, dass es neben der angeblichen Zentrale noch eine wahre Zentrale gab, und dass die Männer und Frauen, die mit ihm in der alten Schule ein- und ausgingen, tatsächlich nicht in alle Geheimnisse eingeweiht waren, zum Beispiel in den Mord an dem Abgeordneten? Was auch immer die Wahrheit war, er musste endlich vorankommen. Angespannt verfolgte er die Diskussion, während sich in seinem Kopf eine Idee formte.
    »Freunde«, sagte der Staatssekretär nun leise und eindringlich, nachdem er anscheinend genug in ihren Mienen gelesen hatte, »wir sind die Speerspitze des Widerstands. Wir gehen voran, wo viel zu viele andere noch zögern, weil wir verstanden haben, dass die Zeit zu handeln jetzt ist. Jetzt. In unserer Zeit. So wie Karl Martell dasselbe zu seiner Zeit begriffen hat. Aber wir sind keine Armee. Noch nicht jedenfalls. Wir sind eine Vorhut ohne Nachhut, und das zwingt uns dazu, sehr vorsichtig zu agieren. Wir können zu diesem Zeitpunkt noch keine solchen Operationen durchführen.«
    »Doch, das können wir!«, sagte Samson plötzlich laut und blickte Widukind direkt in die Augen. Alle Blicke richteten sich augenblicklich auf ihn selbst.
    » Pippin , was wollen Sie damit sagen?«, fragte Widukind beherrscht.
    »Wir könnten durchaus Blut vergießen«, sagte Samson, »ja wir sollten sogar Blut vergießen. Wir müssen es nur richtig machen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Indem wir es tun und zugleich nicht tun.«
    »Sprechen Sie bitte etwas verständlicher mit uns.«
    »Ich weiß, dass Sie mit der Geschichte des Abendlandes vertraut sind. Ich nehme an, die meisten der hier Versammelten ebenfalls. Ich denke an die Hermannsschlacht, an den Kampf der Germanen gegen die Römer. So wie Heinrich von Kleist ihn schildert. Es spielt keine Rolle, wie es damals wirklich gewesen ist. Aber bei Kleist wiegelt Hermann die schlafenden Germanen dadurch auf, dass er seine eigenen Untertanen als Römer getarnt Untaten begehen lässt. Weil diese das Ausmaß der Bedrohung von alleine nicht begreifen.Hermanns Plan geht auf, die Stimmung kippt, und der Widerstand gegen die Invasoren wird geeinigt.«
    »Werden Sie deutlicher.«
    »Wir sind heute doch fast in derselben Situation! Schauen Sie, soweit ich das beurteilen kann, hat nichts der Sache des Kommandos mehr genutzt als der Anschlag auf Lutfi Latif. Richtig? Sie haben selbst gesagt, Widukind , dass die Salons seitdem aus allen Nähten platzen. Dass sogar in kleinen Städten zweite und dritte Salons organisiert werden müssen – Ihre Worte, Missy! Die Leute sind sauer – und zwar auf die richtigen, auf die Mohammedaner, die Terroristen. Das hätten wir selbst nicht besser hinkriegen können! Wieso nehmen wir die Dinge also nicht in unsere eigenen Hände, und schieben die Toten den Musels in die Schuhe?«
    Die Mitglieder des Kommandos Karl Martell starrten Samson mit weit aufgerissenen Augen an.
    Chevalier murmelte: »Scheiße, er hat recht.«
    Renatus klopfte leise mit den Fingerknöcheln auf den Tisch und gab sich unfreiwillig als der Akademiker zu erkennen, der er war.
    Samson suchte erneut Sinns Blick am schmalen Ende des Tisches. Der Staatssekretär versuchte, keinerlei Regung zu zeigen. Aber seine Augen blickten amüsiert, jedenfalls schien es Samson so.
    Schließlich ergriff Widukind das Wort. » Pippin , das war ein höchst interessanter Beitrag. Aber Sie werden verstehen, dass ich solche Dinge mit Aurelius besprechen muss.«
    Erst als er sich zwei Stunden später auf dem Rückweg nach Berlin befand, fiel Samsons Anspannung allmählich von ihm ab. Nachdem Sinn die Versammlung beendet hatte, waren als Erste Q und Ricardo zu ihm gekommen, um ihm stumm auf die Schulter zu klopfen, später kam Renatus zu ihm und erklärte, er hoffe, dass es nun endlich richtig losgehen werde, »darauf warten wir doch in Wahrheit alle!« Sein Vorschlag hatte sein Standing innerhalb der Fußtruppen des Kommandos Karl Martell offenkundig verbessert. Das aber war nicht entscheidend für Samson.
    Sondern dass später auch Sinn zu ihm gekommen war.
    »Wollen wir?«, fragte Widukind , und diesmal war er es, der auf den Balkon deutete.
    »Natürlich.«
    »Sie nehmen mir bitte nicht übel, dass ich am Anfang wegen dieser Lappalie mit dem Foto so forsch war, das war für die anderen bestimmt«, sagte der Staatssekretär, als sie nebeneinander an der Brüstung standen.
    Mittlerweile war die Dämmerung angebrochen. Das

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