Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
Vom Netzwerk:
wirklich keine Ahnung, was Sunderbergs Grund gewesen sein könnte, die Kokelei nicht weiter zu verfolgen?«
    »Nada, Herr Dengelow.«
    »Na ja, danke jedenfalls, ich hab hier ja eh mit anderen Dingen alle Hände voll zu tun.«
    »Ja, ich weiß. Viel Erfolg!«
    »Danke, Kollege!«
    Dengelow beendete die Verbindung.
    Sunderberg also. Ole Sunderberg, der Vizepräsident des Berliner LKA . Eitel, aufbrausend und selbstgefällig. Mehrmals die Treppe hochgefallen, weil er den richtigen Leuten die richtigen Dinge gesagt hatte. Aber was für seine Karriere vermutlich noch bedeutender gewesen war: Sunderberg war ein Golf-, Privat- und Parteifreund von Staatssekretär Sinn.
    Irgendetwas ist da faul, dachte Dengelow. Wieso geht er aufs falsche Ziel? Ich verstehe ja, dass diese Bürgerwehrgeschichte interessant ist, obwohl es dazu offenbar überhaupt nichts Handfestes gibt. Aber der Zündler doch erst recht. Wieso boykottiert er die Ermittlungen?
    Dengelow schlenderte zur Kaffeemaschine und machte sich einen Cappuccino. Er wusste, dass er sich nicht einmischen konnte. Aber je länger er darüber nachdachte, desto mehr erschien ihm der Vorfall immerhin als eine Gelegenheit, Munir zu kontaktieren. Als er wieder an seinem Schreibtisch saß, verfasste er eine knappe E-Mail an seinen V-Mann, bat ihn um Hinweise in jeglicher Richtung, hängte eine Kopie des Bildes an, das den mutmaßlichen Zündler zeigte, und speicherte die Mail in dem Entwurfsordner, den er sich mit Munir teilte.
    ***
    Es war auf den Tag drei Wochen nach dem Anschlag in der Siegfried-Passage, als Samson alles auf eine Karte setzte. Wieder einmal saßen die Mitglieder des Kommandos gemeinsam um den gewaltigen Tisch im Konferenzraum im zweiten Stock der Zentrale. Draußen über dem See lösten sich gerade die letzten abziehenden Gewitterwolken in Fetzen auf. Das Licht, fand Samson, war dramatisch.
    Widukind war außer sich.
    »So etwas«, polterte er und ließ einen grobkörnigen DIN – A4-Abzug auf Fotopapier auf den Konferenztisch gleiten, »darf uns nicht wieder passieren! Pippin , ich hätte mehr Vorsicht von Ihnen erwartet. Gerade von Ihnen, ehrlich gesagt!«
    Samson hatte sich auf dem Foto sofort selbst erkannt. Er gab sichMühe, zerknirscht zu schauen. Renatus , mit dem er in jener Nacht wieder einmal unterwegs gewesen war, stöhnte laut auf. Die übrigen Mitglieder des Kommandos tuschelten.
    »Ich musste«, fuhr Widukind fort, »im Hintergrund ein paar Fäden ziehen, damit der Vorfall nicht weiter verfolgt wird.«
    »Woher kommt das Foto? Wer hat es gemacht?«, fragte Renatus. Seine auf dem Tisch liegende Hand war zur Faust geballt. Samson konnte sehen, wie sich seine Fingerknöchel weiß färbten.
    »Das tut nichts zur Sache«, beschied Widukind .
    Einige Mitglieder des Kommandos schnauften gereizt. Samson ahnte, warum. Sie waren es schließlich, die fast jeden Abend Aktionen durchführten, und nicht Widukind . Niemand von ihnen wollte erwischt werden. Sie witterten Gefahr.
    Doch Widukind ignorierte die Unmutsbekundungen. Seine Stimme nahm jetzt einen schneidenden Ton an. »So etwas muss künftig verhindert werden. Wir können solche Risiken nicht eingehen!«
    »Jedenfalls nicht für solche Mini-Operationen«, sagte Chevalier mit bebender Stimme, dessen mächtiger Bauch und dürren Beine und Arme Samson immer an ein Kastanienmännchen denken ließen. Chevalier schien sich grundsätzlich aus dem Sortiment seines eigenen Geschäfts einzudecken. An diesem Tag trug er grüne Tarnfleck-Shorts und ein khaki-farbenes Bush-Hemd, dazu klobige schwarze Stiefel. Vielleicht Springerstiefel, Samson war sich nicht sicher.
    »Was haben Sie da gesagt?«, fragte Widukind scharf zurück. »Könnten Sie das bitte wiederholen, Chevalier ?«
    Chevalier lehnte sich aufreizend langsam in seinem Sessel zurück. »Ich denke«, setzte er an, »dass das, was wir bisher machen, nicht schlecht ist. Aber es ist irgendwie auch Pippikram. Vielleicht sollten wir allmählich mal darüber nachdenken, einen Schritt weiter zu gehen.«
    »Zum Beispiel?«, erkundigte sich Widukind .
    »Blut«, antwortete Chevalier langsam und strich sich dabei durch den Vollbart. »Und damit meine ich nicht Schweineblut. Ich meine richtiges Blut.«
    Widukind ließ seinen Blick langsam über die Gesichter der Anwesenden schweifen. Samson hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Zumersten Mal, seit er das Kommando infiltriert hatte, diskutierten die Mitglieder über die Gewaltfrage. Was bedeutete das? War sein Verdacht, dass

Weitere Kostenlose Bücher