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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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ich muss mich einfach neben sie setzen und ihr helfen. Ich greife nach einer Seite und schneide aus der Mitte die Box mit dem Rezept für den französischen Toast aus. Elisa wartet, bis ich damit fertig bin, und als ich ihr den Zeitungsausschnitt gebe, klebt sie ihn exakt in die Mitte einer Seite ihres Schreibheftes.
    Die Bongos schweigen, und wir wenden uns dem Fenster zu. Abu hebt beide Arme und bittet das Publikum um Ruhe. Mit einer letzten Handbewegung bringt er auch noch das restliche Gemurmel zum Verstummen. Gefolgt von Alex, beginnt er, rhythmisch über die Bongos zu streichen. Seine Finger berühren die Mitte der Membran, reiben kurz und schnellen wieder in die Höhe. Samuel erhebt sich mit geschlossenen Augen und andächtigem Gesichtsausdruck.
    »Mit dir am Arm bin ich wohl eine Million Treppen hinuntergestiegen …«, deklamiert er mit fast perfekter Aussprache.
    Uns bleibt der Mund vor Staunen offen stehen, so wie auch allen anderen draußen im Garten.
    »… und nun, da du nicht da bist, begegnet mir auf jeder Stufe Leere. Auch so ist unsere lange Reise kurz gewesen.«
    »Wie? Hat er jetzt auch noch angefangen, Gedichte zu schreiben?«, frage ich.
    »Das ist Montale.«
    »Mein Lieblingsdichter«, beteuere ich rasch.

74
    »Ein Typ wie du dürfte doch keine Probleme haben, eine andere Frau zu finden«, sage ich zu Claudio.
    »Ich habe schon eine Frau.«
    »Sie tut dir aber nicht gut.«
    »Was verstehst du schon davon? Gewisse Dinge gehören nun einmal zu einem, auch wenn man sie nicht materiell besitzt. Mag sein, dass das krank ist, aber mir ist es allemal lieber, allein zu bleiben und auf sie zu warten, als mich mit einer anderen zusammenzutun.«
    Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Gaetano und Antonia sind mit breitem Grinsen und quietschenden Reifen auf spritzendem Kies abgefahren. Ich sitze neben meinem Freund und schaue mit ihm zusammen dem Auto nach, das sich auf der Hauptstraße immer weiter entfernt.
    »Das ist nur eine vorübergehende Phase«, erklärt er mir. »Im Augenblick verstehe ich vollkommen, warum sie lieber mit Gaetano zusammen ist. Ein Typ wie er gibt ihr das Gefühl, lebendig und begehrt zu sein. Das ist wichtig in ihrem Alter. Aber bald schon wird die Ära Gaetano abgelaufen sein, und der Moment wird kommen, in dem sie etwas anderes brauchen wird – bedingungslose Liebe, einen verlässlichen Gefährten, Halt, um gelassen dem Rest ihres Lebens entgegenzusehen …«
    Einen Altenpfleger, denke ich boshaft.
    »Wenn du planst, dein Leben mit einem Menschen zu verbringen, musst du damit rechnen, dass dieser Mensch irgendwann einmal das Bedürfnis nach etwas anderem verspüren könnte. Wie viele Paare bleiben zusammen, obwohl sie sich hassen und sich betrügen, und doch kommt irgendwann der Punkt, da können sie nicht mehr ohne den anderen sein … Und genauso wird es bei uns kommen, nur dass wir die Phase des gegenseitigen Hassens übersprungen haben. Wir legen nur eine Pause ein, mehr nicht. »
    »Aber könntest du nicht versuchen, dir diese Pause ein wenig angenehmer zu gestalten?«, frage ich.
    Er scheint mich nicht gehört zu haben. Sein Blick ist starr auf etwas gerichtet, das nur er sehen kann.
    »Ich träume davon, für sie da zu sein, wenn sie alt ist. Ich will ihr die Beine massieren, wenn sie geschwollen sind, ihr sagen, dass sie immer noch schön ist, wenn keiner mehr auf die Idee kommt, ihr Komplimente zu machen, mit ihr auf Reisen gehen, wenn sie glaubt, dass es dafür schon zu spät ist. Ich will sie zum Lachen bringen, wenn alle anderen mit traurigen Gesichtern allein am Fenster sitzen. Ich werde als Einziger in ihren Augen ihre Angst vor dem Tod lesen können und sie überreden, an etwas anderes zu denken … Ich will, dass sie sich sicher fühlt, wenn sie sich auf meinem Arm abstützt, weil ihre Beine nicht mehr mitmachen. Und wenn sie nicht mehr gut hört, werde ich nicht müde werden, alles zweimal zu sagen.«
    »Entschuldige, hast du mich etwas gefragt?«

75
    Die Ankunft des Streifenwagens löst allerlei gemischte Gefühle bei uns aus. Eine Camorra-Limousine wäre uns fast lieber gewesen, da wir bei ihnen wenigstens wissen, was wir zu erwarten haben. Zum Glück haben wir erst vor Kurzem ein kleines Fernglas gekauft, und so bleiben uns wertvolle Minuten, um uns entsprechend vorzubereiten. Sergio observiert den Wagen und gibt seine Informationen an uns weiter.
    »Carabinieri. Zwei Mann. Verbrechervisagen«, berichtet er.
    Vito bleibt gerade noch die Zeit, um im

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