Radio Miracoli und andere italienische Wunder
etwas zu Claudio sagen. Ich möchte ihm sagen, dass er eine wunderschöne Exfrau hat (aber irgendwie erscheint mir das unpassend), dass man selten so viel Harmonie zwischen Expartnern sieht und dass er stolz sein kann auf die zivilisierte Art, mit der er mit der Trennung zurechtkommt. Aber was ergäbe das für einen Sinn.
»Ein Wahnsinnsweib, deine Ex«, platzt Fausto in meine Überlegungen.
»Sie war schon als junge Frau eine Schönheit, und jetzt ist sie noch schöner«, erwidert Claudio ernsthaft.
»Und dann, bravo, alles sehr modern … du, sie, der andere …«
»Fausto!«, ruft Sergio von der anderen Seite des Zimmers.
»Was gibt’s?«
»Komm mit Holz holen!«
»Was für Holz? Wir brauchen doch kein Holz!«
»Jetzt komm schon, du Idiot!«
Schnaubend zieht Fausto ab, und als Sergio sich umdreht, tut er so, als träte er ihm in den Hintern. Von wegen Landhotel. Man kommt sich vor wie in der Grundschule.
»Also, ist alles fertig?«, fragt mich Claudio, dem unser plumpes Schmierentheater nicht aufgefallen zu sein scheint.
»Was soll fertig sein?«
»Das Mittagessen. Die zwei werden einen Riesenhunger haben, und wir können sie doch nicht bis zwei Uhr warten lassen!«
»Aber wo denkst du hin, natürlich nicht. Du deckst den Tisch. Und Elisa und ich, wir kümmern uns um das Mittagessen.«
Nach mehr als einer Stunde sind Antonia und Gaetano noch immer in ihrem Zimmer, und mir fällt nichts mehr ein, womit ich Claudio noch ablenken könnte. Die irreal anmutende Stille wird nur von dumpfen Geräuschen aus dem oberen Stockwerk durchbrochen. Das könnte alles Mögliche sein – Gegenstände, die zu Boden fallen, schwere Schritte, knallende Türen. Oder aber das Klopfen eines Kopfteils gegen die Wand. Ich werde unruhig.
»Wollen wir ein paar Blumen pflücken?«, schlage ich mit lauter Stimme vor.
»Warum nicht? Wir können sie in eine Vase tun und auf den Tisch stellen«, antwortet Claudio.
Auf dem Weg nach draußen erblicke ich auf der Treppe Gaetano und hinter ihm Antonia. Ich tue das, was eigentlich Claudio machen müsste. Das heißt, ich mustere sie von Kopf bis Fuß und checke ab, ob sie Sex hatten oder nicht. Gaetano ist äußerlich nichts anzusehen, auch wenn sein Blick eine verdächtige Intensität besitzt. Sie fasst sich in die Haare und scheint ein wenig zerknittert. Die Nutte.
»Das Bett ist prima!«, erklärt Gaetano.
Mist verdammter, nein, so etwas sagt man doch nicht. Jetzt gibt es Mord und Totschlag.
»Ich habe mich nur fünf Minuten hingelegt, und bum! Schon bin ich eingeschlafen wie ein Stein«, fährt er fort.
Ich hole tief Luft. Antonia hingegen sagt kein Wort und vermeidet es, ihrem Mann in die Augen zu schauen. Natürlich hatten sie Sex. Und das denke bestimmt nicht nur ich.
»Macht einen kleinen Spaziergang im Garten, während wir das Essen auftragen«, sagt Claudio.
Claudio gibt die Hoffnung nicht auf, aber die Giulia bleibt stumm. Wir eilen ihm zu Hilfe. Es komme durchaus vor, beteuern wir abwechselnd, dass man tagelang keine Musik zu hören bekommt, was wiederum davon abhängt, in welcher Stimmung sich Mario, der Dirigent, gerade befindet. Antonia reagiert verständnisvoll wie eine Mutter, die großzügig über die Lügenmärchen ihrer Sprösslinge hinwegsieht. Gaetano betont, dass die These von Marios Stimmungsschwankungen wohl am wahrscheinlichsten sei. Und das mit einer Ernsthaftigkeit, die jeden täuschen würde, nur keinen so ausgebufften Profi wie mich. Irgendwann werde ich diesem Mann die Fresse polieren. Gewiss, wir haben diesem Gaetano wirklich keine Chance gegeben, aber das ist uns egal. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, und es geht gar nicht, dass dieser auftoupierte Lackaffe vor unserem schwächsten Teammitglied den starken Mann markiert.
Um die Situation zu entschärfen, haben wir Abu und seine Freunde gerufen. Auf ihren Bongos trommelnd, kommen sie über die Felder und ziehen sofort die neugierigen Blicke der Gäste auf sich. Gaetano holt sein Portemonnaie aus der Jacke, die über dem Liegestuhl hängt, und versteckt es in seiner Hosentasche. Der Rhythmus der Trommeln ist mitreißend, und alle fangen an zu klatschen. Ich kehre ins Haus zurück, da ich das dringende Bedürfnis verspüre, Elisa zu sehen, die so ganz anders ist als Antonia. Sie sitzt am Tisch und klebt Rezepte, die sie aus Zeitschriften ausgeschnitten hat, in ein altes, kariertes Schreibheft. Dabei kommt sie mir vor wie ein kleines Mädchen vor ihrem Poesiealbum. Sie lächelt mir zu, und
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