Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Keller zu verschwinden, Sergio setzt sich hin und fängt an, Hanfseile zu flechten wie ein alter Hippie, und Elisa hängt die bereits trockene Wäsche noch einmal auf, um dem Ganzen den Anstrich eines unschuldigen Familienidylls zu geben.
Dem alten, zerschrammten Streifenwagen entsteigen ein Unteroffizier um die zwanzig, pickelig und mit einem Spitzbart, der seine Autorität betonen soll, jedoch das genaue Gegenteil bewirkt, und ein Maresciallo um die sechzig, müde, mit dickem Bauch und weißen Haaren. Kaum sind sie ausgestiegen, treten die Komparsen in Aktion. Claudio biegt mit einem Feldblumenstrauß in der Hand um die Hausecke, Elisa trällert ein Liedchen. Ich gehe den Carabinieri entgegen, während Sergio sie mit einem Nicken begrüßt, ohne seine Flechtarbeit zu unterbrechen.
»Guten Tag«, sage ich.
»Guten Tag«, erwidert der Maresciallo und deutet einen militärischen Gruß an.
»Guten Tag«, sagt Elisa lächelnd, während sie ein großes, weißes Betttuch auf die Leine hängt.
»Guten Tag«, sagt Claudio und wedelt mit seinem Blumenstrauß wie eine Tunte.
»Das habt ihr ja richtig gut hingekriegt, das Haus hier«, meint der Maresciallo.
»War auch ein gutes Stück Arbeit …«
»Und man kann hier auch essen, ja?«
»Ja, auf Vorbestellung kann man bei uns mit mehreren Gängen speisen, auch ohne zu übernachten.«
»Dann schaue ich vielleicht mal mit meiner Frau bei euch vorbei …«
»Aber gern, jederzeit. Es würde uns freuen.«
Elisa fängt nervös zu pfeifen an. Der Maresciallo trocknet sich die Stirn mit einem Taschentuch.
»Möchten Sie vielleicht eine kleine Erfrischung? Ein Glas Wein, Wasser?«
»Nein, vielen Dank. Wir wollen euch nicht die Zeit stehlen … Basile!«
Der Unteroffizier bückt sich und holt aus dem Wageninnern ein Papier heraus, das er seinem Vorgesetzten reicht. Es ist eine erkennungsdienstliche Fotografie. Noch ehe er sie mir zeigen kann, identifiziere ich Francos Visage.
» Habt ihr zufälligerweise diesen Mann gesehen?«
Ich nehme das Foto und presse meine Ellbogen an die Rippen, um das Zittern meiner Hände auf ein Minimum zu beschränken. Dabei versuche ich, nicht hektisch zu wirken, sondern lasse mir Zeit und schaue genau hin. Als ich merke, dass ich dem Blick der beiden Polizisten nicht mehr standhalten kann, hebe ich das Foto in die Höhe und zeige es Sergio und Elisa.
»Habt ihr diesen Mann gesehen?«, frage ich.
Sergio und Elisa kommen näher.
»Ich glaube nicht«, sage ich zu dem Maresciallo.
Elisa nimmt die Aufnahme in die Hand.
»Ein Gast vielleicht? … Tja, aber das Gesicht sagt mir nichts.«
»Als Gast war er bestimmt nicht hier«, erklärt der Maresciallo.
Sergio tritt hinter Elisa, betrachtet über ihre Schulter hinweg das Foto und schüttelt den Kopf.
»Der war ganz sicher nicht hier.«
Der Maresciallo nimmt das Fahndungsfoto wieder an sich und setzt seine Uniformmütze auf die verschwitzte Stirn.
»Tja dann, entschuldigt die Störung … Basile!«
Während der Unteroffizier sich wieder ans Steuer setzt, verabschiedet sich sein Vorgesetzter lächelnd und mit Händedruck von jedem von uns. Doch dann scheint ihm noch etwas einzufallen.
»Laufen die Geschäfte gut? Ist alles in Ordnung?«, will er plötzlich wissen.
»Ja, wir können nicht klagen. Allmählich kommen immer mehr Gäste, und unser Hotel wird immer bekannter …«, erwidere ich.
Meine Naivität ist so groß, dass der Maresciallo mich ein paar Sekunden lang fixiert, unschlüssig, ob er noch etwas hinzufügen soll oder nicht.
»Das freut mich sehr für euch. Und vergesst nicht, dass ihr mit allen Problemen zu mir kommen könnt«, sagt er.
Wir bleiben stehen, um den beiden nachzuwinken, während der Streifenwagen sich entfernt. Dabei grinsen wir so blöde wie die Typen aus der Fernsehwerbung, die in Bilderbuchvillen leben und sich frühmorgens strahlend und munter zu einem fröhlichen Frühstück um den Tisch versammeln.
Fausto gesellt sich mit einem Korb voller grüner Bohnen zu uns in den Hof. Der Besuch der Carabinieri war von so kurzer Dauer, dass er mit seinem Auftritt erst an die Reihe kam, als der Polizeiwagen bereits in der Ferne verschwunden war.
»Scheint ein anständiger Kerl zu sein, dieser Maresciallo«, sage ich zu Fausto.
»Ihr solltet nicht einmal daran denken«, warnt Sergio uns.
Keiner von uns reagiert, aber offenbar muss Sergio vor allem sich selbst überzeugen.
»Ich glaube ja auch, dass er ein anständiger Bursche ist«, fährt er fort. »Aber
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