Radio Miracoli und andere italienische Wunder
fürchten. Zwar handelt es sich dabei fast immer um Leute, die Faustos Gesicht nur vom Zappen kennen, aber ein Mal war es ein geprellter Kunde, der ihn wiedererkannt hat. Es hat uns im wahrsten Sinn des Wortes einiges gekostet, ihn zu beruhigen – nicht nur zeitlich, auch monetär. Zu leisten waren vollständiger Ersatz der für die Uhr gezahlten Summe, plus freie Kost und Logis als Wiedergutmachung für den erlittenen seelischen Schaden.
Nicht alle Gäste sind einfach zu erobern. Im Gegenteil, bei mehr als einem scheitern wir kläglich mit unseren Bemühungen. Bestimmten Menschen ist das Kritisieren angeboren: Das Zimmer ist zu kalt. Im Essen ist Knoblauch – trotz gegenteiliger Beteuerung. Die Umgebung ist scheußlich. Es regnet ständig. Keine klassische Musik im Garten, obwohl das doch im Preis inbegriffen sein soll. Es gibt sogar Leute, die halten permanentes Kritisieren für gutes Benehmen, ganz zu schweigen von jenen männlichen Gästen, die ständig ihre Überlegenheit demonstrieren und beweisen müssen, dass man ihnen nicht auf der Nase herumtanzen kann. Diese Typen sind hoffnungslose Fälle. Sie wollen der Stadt entfliehen und schleppen doch ihren Käfig mit sich herum.
Der klingende Rasen, zum Beispiel, ist immer wieder ein großer Erfolg. Der eine Gast lässt sich von der Legende verzaubern, ein anderer ist von möglichen wissenschaftlichen Erklärungen fasziniert. Natürlich gibt es auch noch den seltenen Fall, dass sich Besucher verpflichtet fühlen, der Menschheit zu beweisen, dass sie sich von niemandem ein X für ein U vormachen lassen. So wie jene junge Frau, der nichts Besseres eingefallen ist, als sich vor einem Dutzend verzückt dem Wunder lauschenden, auf Wolldecken liegenden Zuhörern aufzubauen und lautstark zu verkünden: »Ja, hört ihr denn nicht, dass das Stück nicht von Anfang an gespielt wird? Das ist ein Radio und kein toter Dirigent!« Oder wie der andere Typ, der plötzlich angefangen hat, auf dem Rasen herumzuhüpfen, bis die Musik verstummt ist. Aber das sind Bagatellprobleme: Die meisten Gäste sind auf unserer Seite, und der Abgang besagter Signora war von Buhrufen begleitet, während der andere Schlaumeier es riskiert hat, beinahe gelyncht zu werden
Wer zu uns kommt, hat wenig Lust, der Realität ins Gesicht zu sehen. Viel lieber nährt er einen Traum und pfeift auf den Rest.
Ich gebe mein Bestes, um Vito zu ersetzen, auch wenn ich vom Kochen nur wenig oder gar nichts verstehe. Elisa erweist sich am Herd als äußerst effizient und pingelig. Ich versuche, mich nützlich zu machen, habe aber oft den Eindruck, dass ich ihr nur die Zeit stehle. Ich haste von einer Seite der Küche auf die andere, um ihr nicht im Weg zu stehen, spüle augenblicklich jeden Teller, der länger als fünfzehn Sekunden im Spülbecken liegt, hole eilfertig alle Utensilien von den höchsten Ablagen und reibe kiloweise Parmesan. Nichts als Handlangerdienste, ich weiß, aber wenn letztendlich ein leckeres Kaninchen alla Cacciatora in der Pfanne schmort oder ein Auberginenauflauf aus dem Ofen kommt, dann spüre ich, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, und bin glücklich.
»Macht dir diese Situation denn keine Angst?«, fragt Elisa mich plötzlich.
»Soll ich dir als Mann antworten?«
»Ja, nur zu.«
»Wieso Angst! Ich bitte dich!«
»Okay. Und jetzt antworte mir wirklich als Mann und nicht als Macho.«
»Ja, phasenweise.«
»Tatsächlich?«
»Ja … phasenweise.«
Verzweifelt betone ich das letzte Wort, da ihre Antwort mich befürchten lässt, dass es keine gute Idee war, die Wahrheit zu sagen.
»Gott, was würde ich mit dir vögeln, wenn du gerade in einer dieser Phasen bist!«
Erleichtert atme ich auf und betrachte frohlockend Elisa, die sich umdreht, um weiter das Hühnchen zu füllen. Ich weiß, dass in ihrem Satz noch eine andere Bedeutung mitschwingt (ein sozialkritischer und moralischer Kommentar, eine psychologische Analyse des menschlichen Verhaltens), aber es ist stärker als ich, und ich stelle mich innerlich auf die vage und zugegebenermaßen unausgesprochene Möglichkeit ein, dass ich eventuell eine sexuelle Beziehung mit dieser Frau haben könnte.
72
Als auch der letzte Teller gespült ist, trockne ich mir die Hände ab und verlasse mit Elisa die Küche. Es ist mitten in der Nacht, alle sind in ihren Zimmern, und Claudio ist wieder einmal vor dem Fernseher eingeschlafen. Es läuft gerade sein zweitliebstes Programm: Fünf Minuten lang werden Torschüsse gezeigt,
Weitere Kostenlose Bücher