Radio Miracoli und andere italienische Wunder
will er unbedingt mal wieder etwas Neues machen.
Eine zweite Pinkelpause hat fatale Folgen für Fausto. Claudio erzählt mir nämlich, dass ein Freund eines Freundes Fausto gut kenne. Dieser sei als miserabler Verkäufer verschrien und habe jede Menge Schulden und Anzeigen von wütenden Kunden am Hals. Kein Wort hingegen über seinen bankrotten Supermarkt, nur der Hinweis, dass er urplötzlich das Bedürfnis nach einem Tapetenwechsel verspürt habe. Ich müsste eigentlich auch auf die Toilette, aber ich habe nicht die geringste Lust, das nächste Opfer zu werden. Lieber verharre ich mit schmerzender Blase reglos im Auto und finde mich damit ab, dass ich mich mit einem Versager und einem Betrüger eingelassen habe. Wäre ich noch zu Emotionen fähig, verspürte ich vielleicht Angst oder Niedergeschlagenheit. Aber ich bin wie betäubt und sehe meinem eigenen Treiben zu, als ob ich nichts damit zu tun hätte.
Trotzdem fühlt es sich gut an, mit dem Schlüsselbund in der Hand vor dem Bauernhaus aus dem Auto zu steigen. Die zweite Septemberwoche verwöhnt uns mit frischen, klaren Tagen, die Lust darauf machen, die Ärmel hochzukrempeln und aktiv zu werden. Kaum überschreiten wir die Türschwelle, sprudeln wir schon über vor Ideen. Leider hat jeder andere. Ginge es nach mir, sollten wir eine Hälfte des großen zweigeteilten Wohnraums mit Esstischen und die andere mit Sofas und Sesseln zum Relaxen einrichten. Gegen die Tische sei nichts einzuwenden, meint Fausto, aber statt der Sofas sollte man besser einen Billardtisch aufstellen. Claudio will sich nicht festlegen. Die Mansarde mit ihrer herrlichen Aussicht stellt in meinen Augen den perfekten Massageraum dar. Fausto schwebt dort oben eher ein überdimensionaler Bildschirm vor, auf dem man sich in aller Ruhe die Fußballübertragungen anschauen könnte. Claudio ist unschlüssig. Diese kleinen Differenzen vermögen jedoch nicht, unsere Begeisterung zu dämpfen. Vor uns liegt so viel Arbeit, dass wir uns mit der Aufteilung der Räume ruhig noch ein paar Wochen Zeit lassen können. Bereits zum drittenmal gehen wir von Zimmer zu Zimmer und protokollieren professionell in einer Kladde, welche Reparaturarbeiten anstehen. Anschließend setzen wir uns an den Küchentisch, auf den in dem Moment ein schräger Lichtstrahl fällt, als wollte die Sonne dem Start unseres Unternehmens ihr mystisches Siegel aufprägen.
Faustos Vater war Klempner, Claudios Vater hat als Schreiner angefangen, und meiner verstand etwas von Elektroinstallation. Keine Ahnung, weshalb wir uns bereits im Vorfeld eingebildet haben, den größten Teil der Renovierungsarbeiten selbst hinzubekommen. Vielleicht wegen der erblichen Belastung. »Klar lassen wir das Dach von jemandem reparieren, der etwas davon versteht, aber den Rest, den schaffen wir doch allein«, versichern wir uns gegenseitig. Als ob das Wissen der Väter automatisch auf die Söhne übergeht und es genügt, zu einem Wasserhahn zu sagen: »Mein Vater kennt sich aus«, worau f hin bei diesem prompt ein Selbstheilungsmechanismus einsetzt.
Wir beschließen, mit den Dingen anzufangen, die für unser Überleben unerlässlich sind. Erster und wichtigster Punkt: Funktionsfähigkeit des Fernsehapparats überprüfen. Wir begeben uns in den Salon und machen uns wie ein eingespieltes Team an die Arbeit: Claudio schaltet den Apparat ein, ich greife zur Fernbedienung. Wir stellen fest, dass der Bildschirm grau bleibt. Fausto wirft einen Blick hinter das Gerät, nimmt das Antennenkabel und steckt es in die entsprechende Buchse. Noch im selben Moment erscheint das Bild. Wir klatschen einander ab und kehren in die Küche zurück.
Claudio streicht den ersten Punkt durch. Wir wenden uns dem nächsten Problem zu, den Bädern und Toiletten. Nach unserer Inspektionsrunde erstellen wir folgende Mängelliste: eine verstopfte Kloschüssel, zwei tropfende Wasserhähne, eine schlecht schließende Tür, ein kaputtes Schloss. Einige Deckenleuchten müssen ersetzt werden, und ein paar Fliesen sind locker. Wir beschließen, mit einer einfachen Übung zu beginnen, das heißt mit dem verstopften Klosett, um rasch das Vergnügen zu haben, einen weiteren Punkt auf der Liste streichen zu können.
Wir bewaffnen uns mit einer Saugglocke und machen uns auf den Weg zu der fraglichen Toilette unten im Keller. Als Zeichen meines guten Willens und um meine Integration in der Gruppe zu beschleunigen, melde ich mich als Freiwilliger. Ich kremple die Ärmel meines Hemdes hoch, nehme
Weitere Kostenlose Bücher