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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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Gründen sofort aus, und so entscheide ich mich für Giuliana. Unsere Trennung ist bereits eine Weile her und – wie ich finde – ohne Komplikationen und Missverständnisse über die Bühne gegangen. Ich freue mich, Giulianas vertraute Stimme zu hören, und fühle mich schlagartig besser. Am Anfang klingt sie noch überrascht, aber recht bald schon schleicht sich Gleichgültigkeit in ihren Tonfall. Störe ich sie etwa? Hat sie zu tun? Auf meine Fragen antwortet sie mir immer erst mit Verzögerung, was mich zwingt, alles zweimal zu sagen. Obwohl ich sie bestens verstehe, frage ich sie, ob die Verbindung möglicherweise gestört ist und ich sie später anrufen soll. Aber nach den ersten Fragen, die sie mir stellt, begreife ich, dass sie mich deswegen schlecht versteht, weil jemand unser Gespräch mit anhört. Ihr Freund, vermute ich. Sie erkundigt sich, ob ich eine Freundin habe, und ich verneine. Schließlich will sie wissen, warum ich sie anrufe. Ihrem Tonfall entnehme ich, dass sie glaubt, ich wolle sie unbedingt wiedersehen. Als ich das merke, versuche ich, sie mit weitschweifigen Erklärungen zu beschwichtigen.
    So erzähle ich ihr, dass ich mir nach langer Zeit endlich mal wieder einen Urlaub gegönnt habe und mich einfach bei ein paar Leuten melden wollte. Natürlich könnte ich jetzt auch über meinen Vater sprechen und damit jedes weitere Missverständnis sofort aus dem Weg räumen. Eigentlich habe ich genau aus diesem Grund angerufen, aber plötzlich habe ich nicht mehr die geringste Lust, mich einer Unbekannten anzuvertrauen. Giuliana scheint noch immer sauer auf mich zu sein, weil ich sie damals so mir nichts, dir nichts abserviert habe. Aber was hätte ich tun sollen? Ich war einfach nicht mehr verliebt in sie. Wäre es ihr lieber gewesen, das Ganze hätte sich noch ein paar Monate unter Streit und Ärger hingezogen? Ich habe immerhin darauf geachtet, ihr nicht zu sagen, dass ich bereits eine andere hatte, sondern habe sie in dem Glauben gelassen, dass sie perfekt sei und allemal etwas Besseres als mich verdient habe.
    Nachdem sie eine Weile stumm bleibt – wahrscheinlich spricht sie sich mit ihrem Kerl ab –, eröffnet sie mir, dass sie jetzt verheiratet sei. Ich lasse mir nichts anmerken und versichere ihr, wie sehr ich mich für sie freue. Da ihrer Theorie nach mein Interesse an ihr nun rapide schwinden müsste, beginne ich, sie mit zahllosen Fragen zu ihrer Hochzeit zu löchern. Ich will alles wissen: über ihr Kleid, die Kirche, den Hochzeitsempfang, die Geschenke, die Gäste. Ich will sogar wissen, wer den Brautstrauß aufgefangen hat. Da haben die beiden die Avancen eines brünftigen Exverehrers befürchtet und müssen sich nun mit den Fragen eines geschwätzigen, aber harmlosen Individuums herumschlagen. Erschöpfung macht sich in der Leitung breit, aber ich beschließe, Giuliana erst nach einer guten Stunde vom Haken zu lassen.
    Eigentlich müsste ich ein gebrochener Mann sein, enttäuscht von der menschlichen Rasse. Ich müsste mir ernsthafte Gedanken über mein Leben und die emotionalen Leerstellen machen, die ich um mich erschaffen habe. Stattdessen genehmige ich mir zwei Mini-Wodka, die ich im Wohnraum gefunden habe, und stoße darauf an, dass dieser Kelch an mir vorüberging. Ich habe sie geliebt, diese dumme Kuh, und bei Gott, dieser arme Hund – dazu verdammt, dermaßen langweilige Abende mit ihr zu verbringen, dass er ihre Telefonate mit einem Exliebhaber belauscht –, das hätte ich sein können.
    Ich richte meinen Blick wieder an die Zimmerdecke. Ein Landhotel – eine Schnapsidee ist das. Wir drei sind doch völlig unfähig. Ich ertrage meine beiden Mitgesellschafter nicht. Ich kann ihnen nicht vertrauen, und unsere Gäste werden sie gewiss auch nicht sympathisch finden. Aber das ist mein geringstes Problem, da wir niemals Gäste haben werden.
    Bisher habe ich jede einzelne Entscheidung meines Lebens lange erwogen, sorgfältig geprüft und ihr Für und Wider bedacht. Und wohin hat mich dieser ganze Aufwand gebracht? Ich hatte eine angenehme Arbeit, die keinerlei Ambitionen von mir erforderte, mir leicht von der Hand ging und meinem Naturell sehr entgegenkam. Meine wenigen Freundschaften waren eher oberflächlicher Natur, und die Flüchtigkeit meiner Beziehungen zu Frauen wurde mir erst dann bewusst, wenn ich sie schon wieder verlassen hatte. Und vielleicht ist es jetzt gar nicht so schlecht, wenn mich eine unbesonnene Handlung, ein kleiner unbedachter Schlenker, dazu bringen wird,

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