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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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ein letztes Mal anzusehen.
    »Wer bin ich? Was mache ich hier?«, frage ich mich.

6
    Auf unsere Art sind wir eine sehr tolerante Gesellschaft. Natürlich nicht den Einsamen gegenüber, unsere Toleranz gilt den Privilegierten. Eigentlich müssten Millionen von Bürgern auf die Straße gehen und den Kopf desjenigen fordern, der sich die mörderische Maschinerie der Bürokratie ausgedacht hat, die sich nach jedem Ableben eines ihrer Mitbürger in Bewegung setzt. Aber was passiert? Nichts. Ich habe oft gehört, welch schlechten Ruf Bestattungsunternehmen haben sollen, aber in meinem Fall waren sie die Einzigen, die mir konkrete Hilfe leisteten, mir meine Sorgen abnahmen und schlichtweg funktionierten. Im Übrigen schlage ich mich mit amtlichen Vorgängen herum, die man nur als krank bezeichnen kann – ersonnen von kranken Gehirnen, vollkommen verblödet von der Aussicht auf Pensionsberechtigung nach nur wenigen Berufsjahren und verblendet von einem Haufen Privilegien. Auf der Sterbeurkunde steht ein Verfallsdatum. Folglich bin ich jetzt von amtlicher Seite autorisiert, darauf zu hoffen, dass mein Vater wiederauferstehen wird. Und wenn mich Leute, die achtmal so viel verdienen wie ich und die, wie ich annehme, etwas von der Materie verstehen, über die Möglichkeit informieren, dass sich am jetzigen Seinszustand meines Vaters etwas ändern könnte – bei Gott, dann glaube ich ihnen das.
    Aber das ist nur der Anfang. Um Zugang zum Bankkonto meines Vaters zu bekommen, benötige ich eine Bescheinigung, die beweist, dass ich existiere und am Leben bin. Man könnte meinen, es genügt, sich mit einem Ausweis oder einem Pass in der Bank vorzustellen. Der Bankangestellte schaut sich die Papiere an, vergleicht den vor ihm Stehenden mit dem Foto und befindet, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, die eindeutig am Leben und demzufolge auch existent ist. Aber nein. Um diese Existenzbescheinigung zu bekommen, muss man zum Einwohnermeldeamt gehen. Dort stellt man fest, dass es reicht, den Personalausweis vorzulegen, um die Bescheinigung zu erhalten. Was für ein Irrsinn!
    Alice ruft mich zum x-ten Mal an. Ich hatte gehofft, dass es genügen würde, mich eine Weile nicht mehr bei ihr zu melden, stattdessen fordert die Kleine verbissen ihre Ration an Lügenmärchen ein. Was versteht sie denn nicht? Da ich gegangen bin, ohne danach etwas von mir hören zu lassen, ist es doch klar, dass ich nicht mehr in sie verliebt bin. Oder?
    »Hallo.«
    »Diego … bist du verrückt, einfach so zu verschwinden?«
    »Ich bin nicht verschwunden. Du hast mich gehen sehen.«
    »Ja, aber, dein Vater ist beerdigt worden, und du hast mir nicht einmal Bescheid gegeben!«
    »Ich habe niemanden benachrichtigt. Es waren nur er und ich dabei.«
    »O Gott, und warum?«
    »In der Kirche war ein fantastisches Echo. Mein Vater hat vier Totenmessen zum Preis von einer bekommen.«
    »Warum stößt du die Menschen vor den Kopf, denen du etwas bedeutest?«
    »Alice, ich bitte dich, sei nicht so egoistisch. Ich stehe am Rande eines Abgrunds. Ich will allein sein.«
    »Ich bin nicht egoistisch … das weißt du.«
    »Ja, das weiß ich, du bist ein wunderbarer Mensch, und das alles hat auch nichts mit dir zu tun, versuch das doch zu verstehen. Mir geht es im Moment nicht gut, und ich muss allein sein. Ich melde mich wieder, ja?«
    »Ja«, sagt sie, schnieft und legt auf.
    Vielleicht ist die Sache damit erledigt. Vielleicht wird sie in ein paar Wochen aber auch ein letztes Mal anrufen, weil sie eine Socke von mir unter dem Bett gefunden hat, die blaue, die ich so gern anziehe, und weil sie mir sagen will, dass ich jederzeit vorbeikommen kann, um sie abzuholen.
    Ich müsste dringend im Autosalon anrufen. Mein Urlaub ist zu Ende, und es gibt noch tausend Dinge zu erledigen. Der Vorrat an schwarzen Türgriffen ist im Zentrallager verloren gegangen, und jetzt haben sie wahrscheinlich eine Besprechung der Abteilung einberufen, um die schwierige Frage zu entscheiden, wo die Trennlinie zwischen Professionalität und Charakterlosigkeit verläuft: »Sollen wir ihn anrufen, oder warten wir anstandshalber noch mal vierundzwanzig Stunden? Sagen wir zwölf, und damit hat sich der Fall?«
    »Was war ich doch für ein Idiot. Jahrelang habe ich in diesem Leben auf ein Zeichen gewartet und war mir nicht bewusst, dass es mir bereits vor einiger Zeit gegeben wurde – von meinen Knien.« Das hat mein Vater zu mir gesagt, während er sich im Bett aufrappelte. Mir ist in dem Moment

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