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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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Liste zuwenden. Als die Sportnachrichten zu Ende sind, fängt ein People-Magazin an. Keiner ergreift die Initiative, den Fernseher auszuschalten, und so informieren wir uns über die neuesten Tendenzen in der Mode, staunen über die Hitliste der zehn teuersten Scheidungen des Jahres und nehmen die wertvollen Ratschläge eines Models zur Kenntnis, das kürzlich Mutter geworden ist und mit einem Jahreseinkommen von acht Millionen Euro und vier Vollzeitkindermädchen die größte Mühe hat, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Wie hypnotisiert starren wir bis zum Ende des dritten Sets auf die engen Höschen der Volleyballspielerinnen, um darau f hin nahtlos den Anschluss an eine Quizshow zu finden. Nach dem Abspann ertönt der Jingle der Tagesschau, aber an diesem Punkt schlägt sich Fausto entschlossen mit beiden Händen auf die Oberschenkel und erhebt sich. Ich greife zu unserer Aufgabenliste und folge ihm, während Claudio uns mit Gesten zu verstehen gibt, dass er nach den Nachrichten nachkommen wird.
    Fausto und ich ziehen in die Küche um. Dort stellen wir bei einem Glas Wein fest, dass es schon spät ist und wir besser am nächsten Morgen weiterarbeiten sollten. Eingerostet wie wir sind, wäre es ebenfalls geschickter, wenn wir uns einen Installateur und einen Elektriker zu Hilfe holten. Währenddessen könnten wir uns auf die Einrichtung und die organisatorischen Fragen konzentrieren.
    »Was hältst du davon, wenn wir einen Innenarchitekten zurate ziehen?«, frage ich.
    Fausto schaut mich mit großen Augen an. »Was für einen Typen?«
    »Einen Fachmann für Inneneinrichtung.«
    »Du bist mir vielleicht ein feiner Pinkel! Hast du noch nie selbst eine Wohnung eingerichtet?«
    In Sekundenschnelle taucht vor meinem geistigen Auge ein Bild auf, und ich sehe den Schauplatz vor mir, an dem wir die Details unseres gemeinsamen Projekts diskutiert haben: Faustos Wohnzimmer – ein wilder Mix aus Ethno-Möbeln und resopalbeschichtetem Sperrholz.
    »Doch, natürlich. Aber das ist etwas anderes. Eine Wohnung einzurichten ist eine Kunst, und da kann man nicht einfach so improvisieren«, antworte ich.
    »Mach dir mal keinen Kopf. Darum kümmere ich mich. Du wirst dich wundern, welches Meisterwerk ich hier abliefern werde. Davon kann jeder Innenarchitekt nur träumen.«
    Er nimmt ein kariertes Blatt Papier und fängt an, mit einem stumpfen Bleistift einen Grundriss des Hauses aufzuzeichnen. Nach den ersten beiden geraden Strichen kritzelt er eine Reihe nicht existierender Ecken aufs Papier.
    »Kannst du mal diesen verdammten Fernseher ausmachen, bitte?«, brüllt er zu Claudio hinüber.
    Normalerweise bin ich geistig fitter. Einen Typen wie Fausto biege ich mir in dreißig Sekunden zurecht, aber ich bin müde und habe keine Lust auf psychologische Spielchen. Außerdem bin ich unkonzentriert und kann mich nicht mehr erinnern, was in Faustos Wohnung zwischen dem kleinen Bambustisch mit den Kerzen und dem Stereomöbel aus schwarzem Resopalfurnier stand. Ah, jetzt fällt es mir wieder ein: der Gesäßmuskelstraffer.

8
    Um die Zimmer unter uns aufzuteilen, greifen wir auf eine Methode zurück, die vor allem bei Gymnasiasten auf Klassenfahrt sehr beliebt ist. Auf ein akustisches Signal hin stürmen alle die Treppen hinauf und werfen ihren Koffer auf das Bett im Zimmer ihrer Wahl, normalerweise das größte oder das neben dem schönsten Mädchen der Klasse gelegene. In unserem Fall ist es das größte Zimmer, beziehungsweise das mit dem schönsten Bad. Ich tue so, als würde ich mich an dem Wettrennen beteiligen und mich zerknirscht geschlagen geben, als mir nur noch übrig bleibt, mich zwischen den letzten drei Zimmern zu entscheiden, die eines aussehen wie das andere. Ich erweise mich als guter Verlierer, ignoriere das höhnische Grinsen meiner Kompagnons, ziehe mich in das nächstgelegene Zimmer zurück und schließe die Tür hinter mir.
    In bestimmten Momenten sollte man besser nicht allein sein. Beispielsweise, wenn man absurde Entscheidungen trifft, die Auswirkungen auf das ganze Leben haben. Man weiß ja, wie so etwas endet. Man legt sich aufs Bett und starrt an die Decke, wo die negativen Gedanken nisten, die – leicht, wie sie sind – bevorzugt nach oben steigen.
    Es ist erst zehn Uhr abends. Ich überlege, mein stummes Handy zum Leben zu erwecken und jemanden anzurufen. Die einzigen Menschen, die mir einfallen, um mein Herz bei ihnen auszuschütten, sind meine Exfreundinnen. Alice scheidet aus offensichtlichen

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