Radio Miracoli und andere italienische Wunder
nichts anderes dazu eingefallen, als dass ihm ein kleiner Spaziergang auf dem Korridor guttäte. Mein Vater ist der Letzte, von dem man sich grundlegende Wahrheiten über das Leben erwartet hätte. Eine große Wahrheit habe ich jedoch in meinem geistigen Archiv abgespeichert: »Nachdem du das Zeug mit der Spritze in den Fugen am Badewannenrand verteilt hast, fahr noch einmal mit dem eingeseiften Finger darüber. Das wird viel glatter als mit dem Spachtel.« Silikon. Aha. Das war’s dann. Aber als ich jetzt nach vierzig Minuten im Stau aus dem Auto aussteige und diesen leichten Schmerz in meinen Kniescheiben spüre, gibt es keine Zweifel mehr. Das ist das Signal, dass die Zeit drängt. Falls ich jemals daran gedacht haben sollte, meinem Leben eine besondere Wendung zu geben, dann ist dieser Augenblick nun gekommen.
Auch mir wurde das Zeichen gegeben, und ich habe beschlossen, es nicht zu ignorieren. Eines Tages vielleicht, wenn ich auf mein Leben zurückblicke, werde ich mit Schrecken an den Tag denken, als meine Knie mir einflüsterten, ich solle mich mit einem Angeber und einem Pechvogel zusammentun, die ich beide bisher nur ein einziges Mal gesehen habe. Bevor die Vernunft die Oberhand gewinnt, greife ich zum Handy und rufe Fausto an. Beim ersten Klingeln denke ich: »Was treibe ich hier?«, beim zweiten, auch beim dritten Ton hoffe ich, dass er sich nicht meldet, beim vierten Klingeln sage ich mir: »Noch ein Mal und dann basta«, nach dem Fünften beschließe ich: »Ein letztes Mal«, nur um ja keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit meines Versuchs aufkommen zu lassen. Beim sechsten Klingeln geht Fausto ran.
Wir haben Glück. Das Anwesen ist noch nicht verkauft und inzwischen noch dazu um gute zehn Prozent günstiger. Uns genügt ein informelles Treffen von nicht einmal einer Stunde, um uns auf einen Gesellschaftervertrag zu einigen. Fausto ist mit dem größten Engagement bei der Sache, Claudio leistet kaum Widerstand, und ich bin schlicht nicht zurechnungsfähig und kann nur hoffen, dass diese Einstellung keine größeren Probleme verursachen wird. Als ich den beiden erzähle, dass mein Vater vor Kurzem gestorben ist und ich gerade eine chaotische Zeit durchmache, bieten sie von sich aus an, sich um alle Formalitäten zu kümmern. Ich muss nichts weiter tun, als ein, zwei Mal bei einem Notar vorbeizuschauen und einige Unterschriften auf Papiere zu setzen, die zu lesen ich mir nicht die Mühe mache.
Beim Kauf des Hauses allerdings wird Claudio munter, legt größte Vorsicht an den Tag und macht uns auf tausenderlei mögliche Fallstricke aufmerksam. Fausto versucht, ihn zu beruhigen, aber dies gelingt ihm erst, als der Notar uns bestätigt, dass die Immobilienunterlagen komplett sind und keinerlei Ungereimtheiten aufweisen. Keine dubiosen Klauseln, keine Kredite, keine Hypotheken. Knappe zehn Tage später überweisen wir die Anzahlung, und nach weniger als einem Monat unterschreiben wir die notarielle Urkunde und nehmen die Schlüssel in Empfang.
Meine formelle Kündigung erfolgt per Mail und umfasst knappe drei Zeilen. Ich bringe meinen Firmenwagen zurück und gehe, ohne mich von jemandem zu verabschieden. Für die Beendigung eines der längsten Kapitel meines Lebens hatte ich mir eigentlich einen Befreiungsschlag mit mehr Pauken und Trompeten vorgestellt.
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Ich war so sehr mit den Formalitäten beschäftigt, die mit dem Tod meines Vaters einhergingen, dass ich nicht dazu kam, mich näher mit meinen Kompagnons zu befassen. Als wir das erste Mal zusammen in unser Landhaus fahren, habe ich das Gefühl, mich auf vollkommen fremde Menschen eingelassen zu haben. Wahrscheinlich sind die beiden bereits die dicksten Freunde, während meine mangelnde Präsenz sich gegen mich wenden könnte, wenn es zu ersten Entscheidungen und zur Abstimmung kommt. Ich mache mir völlig unnötig Gedanken, denn mir wird rasch klar, dass die beiden sich nicht sonderlich mögen. Schlechte Aussichten für die Zukunft, denke ich, auch wenn mich dieser Umstand im Moment tröstet. Während einer Pinkelpause an der Autobahnraststätte nutzt Fausto die Gelegenheit und erklärt mir, dass Claudio ein Versager ist, der sich nur aus Verzweiflung mit uns zusammentut, nachdem er es geschafft hat, einen Betrieb, der quasi von allein lief, in den Sand zu setzen. Was ihn selbst betrifft, so erwartet er sich von diesem Agriturismo nur ein wenig Abwechslung in seinem Leben. Nachdem er beim Teleshopping alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt,
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