Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
irgendetwas lauten. Hektisch beginne ich, die Knöpfe auf dem Kontrollboard vor mir zu betätigen. Meine einzige Chance, sie zu finden ist, wenn sie zurzeit keinen Dienst hat, ansonsten kann sie sich theoretisch überall in der Legion befinden. Die Männer fallen ohnehin schon weg, so bleiben 49 oder 50 Möglichkeiten übrig. Die ersten Frauen auf den Monitoren betrachte ich länger, um mir sicher zu sein, dass sie es wirklich nicht ist. Doch bereits nach den ersten vier habe ich das Gefühl, dass sie alle tatsächlich gleich aussehen. Ich schließe meine Augen und versuche, mir ihr Bild in Gedächtnis zu rufen. War dort irgendetwas Besonderes? Etwas Einmaliges? Etwas, das sie von allen anderen unterscheidet? Etwas, das sie identifiziert?
Natürlich hatte sie denselben kahlen Kopf und dieselben blauen Augen wie alle, aber etwas war anders in ihrem Gesicht. Ihre Nase? Nein, sie war so perfekt geformt wie alle anderen auch. Ihr Mund? Ich streiche mir gedankenverloren über die Lippen. Mein Zeigefinger bleibt auf meiner Oberlippe liegen. Das ist es! Dort hatte sie eine Narbe. Sie war weißer als der Rest ihrer Haut und hob sich deshalb leicht hervor.
Eilig gehe ich die verbleibenden Ziffern durch und bleibe an C403 hängen. Ich habe sie gefunden. Das ist die Kontaktfrau der Rebellen. Sie ist meine Hoffnung.
Ich bin vielleicht seit fünf Minuten zurück in meinem Zimmer, da klopft es bereits an der Tür. Erstaunt lasse ich mir das Bild der Außenkamera anzeigen. Es ist D560. Ich öffne ihr die Tür und blicke sie fragend an.
„ Ich soll dich heute Nacht wieder bewachen“, erklärt sie mir.
Leicht genervt hebe ich die Augenbrauen. „Schon wieder?“
Sie nickt nur verschüchtert und tritt an mir vorbei in das Zimmer. Zu spät bemerke ich, dass sie meine Reaktion falsch deuten könnte. Meine Enttäuschung hatte schließlich nichts mit ihr zu tun.
„ Entschuldige, so war das nicht gemeint. Ich habe nichts gegen deine Gesellschaft. Ich kann nur nicht verstehen, dass mich A350 jetzt so überwachen lässt. Sie scheint mir gar nicht mehr zu vertrauen.“
D560 legt den Kopf leicht schief. „So solltest du das nicht sehen. Sie meinte, es wäre nur zu deiner Sicherheit. Ich bin sicher, dass sie nur dein Bestes will.“
„ Ja, das, was sie für das Beste hält“, erwidere ich widerstrebend. „Es ist ihr egal, was ich möchte.“
Ich lasse mich auf das Bett sinken. „Weißt du, ich dachte, als Legionsführerin hätte ich endlich mehr Freiheiten als in der Sicherheitszone, aber da habe ich mich getäuscht. Im Grunde bin ich genauso gefangen wie zuvor auch, nur mit einer schöneren Aussicht.“
„ Immerhin kannst du selbst darüber entscheiden, wer dein Zimmer betreten darf und wer nicht“, erwidert D560 und ich höre den neidischen Ton aus ihrer Stimme. Sie muss mich wirklich für verwöhnt halten. Niemandem in der Sicherheitszone geht es so gut wie mir, und trotzdem finde ich immer wieder Gründe, um mich zu beklagen.
„ Sollen wir schlafen?“
Sie nickt mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen und legt sich dieses Mal von alleine neben mich in das Bett.
Anstatt zu schlafen, blickt sie mich jedoch zögernd an. „Ich bin froh, dass ich bei dir sein darf.“
Ihr Geständnis berührt mich. Anscheinend fängt sie langsam an, sich mir zu öffnen. Ich erwidere ihr Lächeln. „Und ich bin froh, dass du da bist.“
Am nächsten Morgen bin ich bereits früh auf den Beinen und beim Frühstück eine der Ersten, genau wie A350, auf die ich gewartet habe. Ohne zu zögern, steuere ich auf sie zu.
„ Guten Morgen.“
Mit gerunzelter Stirn blickt sie mir misstrauisch entgegen. „Guten Morgen, kann ich etwas für dich tun?“
Sie scheint meine Freundlichkeit sofort zu durchschauen. „Ja, ich möchte bei der Nahrungsvergabe in der Sicherheitszone dabei sein“, sage ich es geradeheraus. Es ist die perfekte Möglichkeit, um sowohl auf Finn als auch auf die Kontaktfrau der Rebellen zu treffen.
„ Das kommt nicht in Frage. Du hast noch genug zu lernen“, entgegnet A350 jedoch verbittert. Offensichtlich ist sie nach wie vor wütend auf mich.
„ Aber es ist mein Projekt! Ich habe die Rede vor den Menschen gehalten und es würde sie sicher freuen, wenn ich mich ab und zu blicken ließe.“
„ Du misst dir eindeutig zu viel Bedeutung bei“, erwidert sie ungerührt und geht an mir vorbei, um den Frühstücksraum zu verlassen. Doch so leicht lasse ich mich nicht abwimmeln. Eilig laufe ich ihr hinterher.
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