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Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)

Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)

Titel: Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Shepherd
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Spiegel.
    „ Merkt ihr nicht, dass er nur lügt?“
     
    Obwohl die Befragung an diesem Punkt abgebrochen wurde, folgten den Rest des Tages viele Diskussionen, Vorwürfe und Anschuldigungen, ohne zu einem wirklichen Ergebnis zu führen. A566 fordert eine Bestrafung für Clyde, dabei schließt er nicht einmal den Tod aus. Doch die anderen Legionsführer können sich nicht dazu entschließen, ihm zuzustimmen, da vor allem die Frauen entsetzt darüber sind, was Clyde A566 vorwirft. Es wäre leichter, sie von A566s Schuld zu überzeugen, wenn ich ihnen erzählen würde, was er mir angetan hat. Aber anstatt für Clyde zu kämpfen, werden meine Gesprächsanteile immer weniger, bis ich schließlich ganz verstumme. Ich bringe es einfach nicht über mich, ihnen die Wahrheit zu sagen. Es hat nichts mehr damit zu tun, dass ich mich davor fürchte, was A566 über mich erzählen könnte, sondern ich habe Angst vor dem Schmerz und der Hilflosigkeit, die eine Erzählung unweigerlich mit sich bringen würde. Es wäre, als müsste ich alles noch einmal durchstehen. Das schaffe ich nicht. Es ist feige und egoistisch. Ich fühle mich schrecklich dabei.
    Erst am späten Abend schaffe ich es deshalb, endlich den Aufzug zu nehmen und in die Krankenstation zu fahren. Wenn mich jetzt jemand dabei beobachten würde, wäre es nicht einmal verdächtig. Niemand wollte die Aussage von Zoe hören, weil sie als Patientin der Krankenstation von allen ohnehin als verrückt abgestempelt wird. Aber ich will hören, was sie zu sagen hat. Ich muss wissen, was A566 ihr angetan hat.
    Bevor ich den Aufzug genommen habe, hatte ich nicht einmal mehr Zeit, sie mir über die Kameraaufnahmen auf dem Monitor anzusehen, sodass ich nicht weiß, in welcher Verfassung sie sich nun befindet. Ich halte förmlich den Atem an, als ich die Tür ihrer Zelle durch meinen Fingerabdruck öffne. Zoe liegt wie erstarrt in ihrem Bett und hebt erst den Kopf, als mein Schritte auf dem quietschenden Linoleumboden zu hören sind. Ihre Lippe ist aufgeplatzt und an ihrem Kinn klebt ein weißes Pflaster. Ihr linker Arm ist in einen Verband gewickelt.
    Sie atmet jedoch erleichtert auf, als sie mich sieht. „Weißt du, wie es Clyde geht? Ist er noch am Leben?“, will sie sofort wissen und klopft neben sich auf das Bett als Zeichen, dass ich mich zu ihr setzen soll.
    „ Er bleibt erst einmal im Verhörzimmer, bis entschieden ist, was mit ihm geschehen wird“, erkläre ich ihr. Denn die Frage, wie es ihm geht, ist nur schwer zu beantworten. Die Wahrheit ist: Ich weiß es nicht. Es gab keine Möglichkeit für mich, alleine mit ihm zu sprechen.
    „ Er hat mich gerettet. Wenn er nicht gewesen wäre, dann...“, sie stoppt und ich nicke verständnisvoll. Sie braucht es nicht auszusprechen. Wir wissen beide, was dann passiert wäre. Obwohl es mir unendlich leid tut, was sie durchmachen musste, und ich mich mitschuldig daran fühle, tut es doch irgendwie gut zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin, der so etwas passiert ist. Dieses Gefühl möchte ich mit Zoe teilen.
    Behutsam greife ich nach ihrer Hand und streichle zärtlich über ihre Finger, die trotz ihrer langen Gefangenschaft in der Sicherheitszone noch eine Spur brauner sind als meine eigene Haut.
    „ Ich weiß, wie es dir geht“, flüstere ich ihr zu und blicke ihr in die Augen. Ihr Blick ist zweifelnd, aber neugierig.
    „ Ich weiß es, weil mir dasselbe passiert ist.“ Ich deute auf die kleine Schramme über meiner Augenbraue. Die Wunden von A566s Angriff sind mittlerweile so gut wie verheilt und fallen kaum noch auf. Aber Zoe versteht, wofür sie stehen. Ihre Augen weiten sich sorgenvoll. „Hat er... hat er es zu Ende gebracht?“, fragt sie leise, so leise, als ob selbst ihre Worte mich zum Zerbrechen bringen könnten.
    Ich schüttele den Kopf und beiße mir dabei auf die Lippe. „Nein, ich konnte rechtzeitig fliehen.“
    Erleichtert atmet Zoe auf, bevor sie den Kopf schüttelt. „Nichtsdestotrotz ist es schrecklich. Hast du den anderen davon erzählt?“
    „ Nur A350“, gestehe ich ihr. Jetzt ist sie es, die meine Hand ergreift und kraftvoll drückt.
    „ Du musst es ihnen sagen. Dir werden sie glauben. Wenn du A566 davonkommen lässt, riskierst du nicht nur das Leben von Clyde, sondern auch das vieler anderer Frauen. A566 wird nicht aufhören. Er wird sich andere Opfer suchen. Ich bin sicher, du warst nicht einmal sein erstes.“
    Es ist, als würden ihre Worte die einzelnen Teile eines Puzzles, die die ganze Zeit

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