Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
wild verstreut in meinem Kopf lagen, zusammensetzen. Plötzlich ist es eindeutig und ich frage mich, wie ich die ganze Zeit nur so blind sein konnte. Natürlich bin ich weder sein erstes noch sein letztes Opfer. Denn ich kenne sein erstes Opfer: Asha.
Sofort erfasst mich Panik. Als ich mein Zimmer verlassen habe, war sie noch alleine in der Küche. Sie ist erst sicher, wenn ich zurück bin. Deshalb wollte sie auch unbedingt bei mir schlafen. Mein Zimmer ist der einzige sichere Ort.
Ich springe eilig auf. „Entschuldige Zoe, ich muss dringend weg“, sage ich nur kurz und stürze bereits zur Tür. Ich höre noch, wie sie mir etwas nachruft, aber ich habe keine Zeit, um darauf zu reagieren. Wild hämmere ich gegen den Scanner des Aufzugs. Das Öffnen und Schließen der Türen erschien mir nie langsamer. Clyde hat Zoe gerettet und ich verfüge als Legionsführerin über die Möglichkeiten, mich vor A566 zu schützen. Aber Asha ist ihm wehrlos ausgeliefert. Niemand würde ihr glauben und jeder kann ihr Zimmer betreten und verlassen, wie es ihm beliebt. Wie viele schreckliche Stunden musste sie schon unter A566 leiden? Ich will es lieber gar nicht wissen. Aber ich habe ihr an ihrem Krankenbett ein Versprechen gegeben. Ich habe ihr einen Neuanfang versprochen und ihr zum Zeichen dafür ihren Namen geschenkt. Asha darf nicht dasselbe wie D560 widerfahren. Ich muss es verhindern.
Endlich gleiten die Aufzugtüren auf und ich renne geradewegs in Richtung des Konferenzraums, hinter dem sich die Küche befindet. Schon als ich eintrete, sehe ich, dass die Tür zur Küche geschlossen ist, was sonst nie der Fall ist. Es ist eine der wenigen Türen, die keiner Erlaubnis bedürfen, um sie zu öffnen. Voller Panik stoße ich die Tür auf. Genau im richtigen Moment. A566 hat Asha in die hinterste Ecke des Raumes gedrängt. Er bedroht sie mit einer der Laserwaffen, die wir sonst nur für Arenakämpfe benutzen.
„ Zieh dich aus oder ich töte dich“, zischt er ihr gerade entgegen. Offensichtlich hat er mich noch nicht bemerkt, doch Asha weigert sich.
„ Es ist mir egal, ob du mich umbringst. Töte mich. Du würdest mir damit einen Gefallen tun“, entgegnet sie ihm emotionslos. In diesem Moment begegnet ihr Blick dem meinen und ihre Augen weiten sich vor Überraschung. A566 bemerkt es auch und fährt erschrocken zu mir herum. Doch mich zu sehen, scheint ihn zu erleichtern. Er betrachtet mich nicht als Gefahr.
„ Oh, wir haben Besuch. Das ist aber eine schöne Überraschung“, säuselt er mit gespielter Freundlichkeit. „Wollen wir es zu dritt machen? D560 kann dir viel beibringen“, höhnt er weiter.
Ich gehe gar nicht erst auf seine Worte ein und winke Asha zu mir. „Komm her.“
Doch A566 versperrt ihr den Weg. „Was soll das werden? Niemand wird euch glauben.“
Und ob sie das werden. Wenn ihnen meine Worte nicht als Überzeugung reichen, dann vielleicht das, was sie mit eigenen Augen sehen. Ich beginne zu schreien. Aus voller Kehle, so laut ich kann.
Asha blickt mich verständnislos an, doch dann erkennt sie, was ich vorhabe, und beginnt ein letztes Mal zu schreien. So viele Male hat sie es zuvor schon getan, ohne dass sie erhört wurde. Ihr letzter Schrei wird der eine sein, auf den Hilfe folgt. A566 starrt mich erst verwirrt, dann entsetzt an. Er richtet die Laserwaffe auf mich und schreit mich an: „Sei still oder ich schieße.“
Ich lasse mich von ihm nicht einschüchtern und schreie weiter. Der Gebrauch von Laserwaffen außerhalb der Arena ist verboten. Wenn er mich erschießt, unterschreibt er sein eigenes Todesurteil.
A350 ist die Erste, die uns erreicht. Kurz darauf folgen A489 sowie A233 und A333. Sie sehen alle, wie A566 den Strahl der verbotenen Waffe auf mich richtet.
„ Was ist hier los?“, unterbricht A233 aufgebracht unser Geschrei. Endlich kann ich verstummen. Mein Hals brennt wie Feuer.
„ Alles, was C515 gesagt hat, ist wahr. A566 wollte D523 vergewaltigen.“
Das Wort kommt mir nur schwer über die Lippen, aber es beschreibt genau das, was er vorhatte.
Asha tritt hinter ihrem Peiniger hervor und stellt sich neben mich. Ihr Blick ist zu Boden gerichtet und ihre Stimme leise und zittrig: „Er hat mich vergewaltigt. Seit Monaten.“
Ich greife nach ihrer Hand und sie zieht sie nicht weg. Ganz im Gegenteil, sie greift fest zu. Es ist vorbei. A566 wird ihr nie mehr weh tun. Ich hebe meinen Kopf und blicke den anderen Legionsführern fest in die Augen.
„ Er hat auch versucht, mich
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